EBIDAT - Die Burgendatenbank

Eine Initiative der Deutschen Burgenvereinigung Menu

Reichenstein bei Trechtingshausen

Geschichte:

Burg Reichenstein gehört zu jenen zahlreichen Anlagen, deren Gründungsdatum nicht überliefert ist. Unklar ist somit, ob die Burg bereits im 11. Jh. zum Schutz des Fernbesitzes der Abtei Kornelimünster im Raum Trechtingshausen angelegt worden ist, wie manche Forscher vermuten, oder ob es sich um eine spätere Burggründung handelt. Urkundlich wird Reichenstein erstmals 1213 im Zusammenhang mit der Amtsenthebung des Vogtes Gerhard Reombodo von Bingen erwähnt. Im darauffolgenden Jahr erhielten die Herren von Bolanden die Vogtei, und ab 1241 folgten ihnen ihre Verwandten, die Herren von Hohenfels.
Bedingt durch Überlieferungsirrtümer ist in der Literatur gelegentlich von einer 1253 vom Rheinischen Städtebund (Gründung 1254) durchgeführten Belagerung die Rede. Folgt man einer zuverlässigen Wormser Chronik, die Ereignisse bis zum Jahr 1297 überliefert, so wurde Reichenstein tatsächlich 1253 angegriffen und erobert, jedoch nicht vom Rheinischen Städtebund. Philipp von Hohenstein blieb ungeachtet der Ereignisse von 1253 im Besitz der Burg Reichenstein. Zusammen mit Gütern in Trechtingshausen, Ober- und Niederheimbach sowie in Weiler wurde Burg Reichenstein 1270 von der Abtei Kornelimünster an das Mainzer Dom- und Mariengredenstift veräußert. 1282 erfolgte eine Zerstörung der Burgen Reichenstein und Sooneck durch König Rudolf von Habsburg.
Durch einen unrechtmäßigen Verkauf von Seiten der Herren von Hohenfels gelangte Reichenstein Ende des 13. Jhs. an den Pfalzgrafen Ludwig den Strengen. Die Burg spielte während der Auseinandersetzungen um die Vormachtstellung im Raum Trechtingshausen zwischen den Pfalzgrafen und den Erzbischöfen von Mainz eine entscheidende Rolle. 1344 gelangte Reichenstein schließlich an das rheinische Erzstift und diente fortan als Sitz eines erzbischöflich-mainzischen Amtmanns.
Im 16. Jh. setzte der Verfall der Anlage ein. Die endgültige Zerstörung erfolgte 1689 durch französische Truppen. Vorerst unterblieb eine Wiederherstellung der Burg. 1834 erwarb der General von Barfuß die Ruine und ein schlichtes Wohnhaus über einem Tonnengewölbe. 1877 gelangte Reichenstein an die Freiherren von Rehfuß, und 1898 ging die Anlage in das Eigentum des Großindustriellen und Besitzers der Rheinböller Hütte, Baron Nikolaus Kirsch-Puricelli, über. Er ließ die Burg bis 1903 nach Plänen des Architekten Georg Strebel aus Regensburg in neugotischen Formen ausbauen. 1936/38 entstand das Museum Burg Reichenstein. Die Anlage verblieb bis 1974 in Familienbesitz und ging 1986 in das Eigentum der Verbandsgemeinde Rhein-Nahe über.
(Jens Friedhoff, Reinhard Friedrich)

Bauentwicklung:

Bedingt durch tiefgreifende historistische Umgestaltungen an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wurde die bauliche Entwicklung der 1689 zerstörten Burg verunklärt. Eindeutige bauliche Reste der Anlage, die in das 13. Jahrhundert zurückreichen und ggf. eine Rekonstruktion der Gesamtanlage zulassen, sind kaum erkennbar. Dem mittelalterlichen Baubestand gehört die mächtige gerundete Schildmauer an, die an der Rheinseite mit einem Erkerturm endet. Dahinter erstreckt sich das Areal der Kernburg mit den Resten eines Wohnbaus an der Südwestecke. Eine niedrige Ringmauer umgibt die Vorburg. Auf einer niedrigeren Geländestufe befindet sich eine Zwingeranlage unbekannter Zeitstellung.
Zu den späthistoristischen Bauten zählt die Kapelle auf dem Areal der alten Vorburg, Teile des Hauptgebäudes sowie die vorgelagerten Wirtschafts- und Gesindebauten und der oberhalb gelegene Aussichtsturm.
(Jens Friedhoff, Reinhard Friedrich)

Baubeschreibung:

Die über dem Ort Trechtingshausen gelegene Burg Reichenstein beeindruckt durch ihre imposante historistische Baugestalt und lässt kaum ihre mittelalterlichen Ursprünge erkennen. Ursprünglich handelte es sich um eine Schildmauerburg ohne Bergfried. Als Bauplatz wählte man einen Bergsporn über dem Eingang in das Morgenbachtal. Der noch erhaltene geringe mittelalterliche Baubestand – es handelt sich im Wesentlichen um eine imposante Schildmauer sowie Ringmauerreste – ist höchstwahrscheinlich in die Zeit zwischen 1282 und 1344 zu datieren. Eine Ansicht aus dem Jahr 1629 zeigt noch einen rechteckigen Wohnturm, der die Nordostecke des Kernburgareals einnahm. Die neugotische Anlage ist von Norden aus zugänglich. Im Nordwesten der Anlage befindet sich – umgeben von der Schild- und Ringmauer – das dreigeschossige Hauptgebäude der Burg. Der unregelmäßige Grundriss des Gebäudes resultiert aus der Einbeziehung mittelalterlicher Baureste. Beim Innenausbau des großzügigen Gebäudes orientierte man sich vornehmlich am Formengut der Gotik und Renaissance. Geschnitzte Balkendecken sowie zinnenbekrönte Wandvertäfelungen wurden spätgotischen Ausstattungselementen aus der Zeit um 1500 nachempfunden. Der Speisesaal mit seiner Ahnengalerie öffnet sich in Spitzbogenarkaden zu einem Nebentreppenhaus. Zu den repräsentativsten Räumlichkeiten zählt die Bibliothek, die mit einem stattlichen Erker versehen wurde. Die Museumsräume beherbergen vornehmlich die wertvollen Sammlungen des Barons Kirsch-Puricelli. Eine dem Heiligen Sebastian geweihte neugotische Burgkapelle befindet sich am Südrand der Anlage. Die Kapelle wurde als einschiffiges Langhaus mit eingezogenem Chorpolygon konzipiert. Nördlich der Kernburg liegt die Vorburg, die in der Literatur gelegentlich als Vorwerk "Falkenburg" bezeichnet wird. Der Wirtschaftshof umfasst einen dreiteiligen Ökonomiebau (Remise, Pferdestall, Kelterhaus mit Weinkeller und Verwalterwohnung). Das Burgtor schützt ein runder Flankenturm. Zu den "Neubauten" des ausgehenden 19. bzw. beginnenden 20. Jhs. gehört ein abgestufter Belvedereturm oberhalb des Burgareals. Komplettiert wird die Burganlage durch einen parkartigen Garten, einen Turnierplatz, eine Kegelbahn sowie das leider inzwischen abgebrochene Schweizerhaus. (Jens Friedhoff)