EBIDAT - Die Burgendatenbank

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Schaumburg a. d. Lahn

Geschichte:

Die Burg und die zugehörige Herrschaft sind erstmals Ende des 12. Jhs. fassbar, als sie sich im Besitz der Grafen von Leiningen befinden. 1197, dem Jahr der ersten urkundlichen Erwähnung, kam über Elisa von Leiningen ein Teil des Besitzes an Nassau und anschließend an die Grafschaft Virneburg. Andere Anteile waren 1232 als Leininger Erbe an die Herren von Isenburg gelangt. Der Isenburg-Limburger Anteil wurde 1266 als Lehen an das Kölner Erzstift vergeben, von wo er ab 1271 an die Herren von Westerburg fiel. 1279 vermachte auch Gerlach von Limburg seinen Anteil an Heinrich von Westerburg, seinen Schwiegersohn, der somit wesentliche Teile der Herrschaft Schaumburg besaß. Die Herren von Westerburg vereinigten im Laufe der Zeit die anderen Anteile in ihrer Hand, so dass sie im 15. Jh. allein über die Burg verfügten und sie häufig als Sitz von Nebenlinien oder Witwensitz nutzten. Zwischenzeitlich war es während der Fehde der Westerburger mit Erzbischof Balduin von Trier 1319-21 zur Errichtung der Gegenburg Balduinstein gekommen. Von den Westerburgern wurde die Schaumburg mehrmals verpfändet. Seit 1547 war die Burg zeitweise Sitz einer Linie der Grafen von Leiningen-Westerburg. 1656 wurde sie an die Witwe des Grafen Peter Melander von Holzappel verkauft, die noch im selben Jahr starb. Ihre Tochter Elisabeth Charlotte war mit Fürst Adolf von Nassau-Dillenburg verheiratet. Bis 1707 war sie im Besitz dieser Familie und blieb fortan in der Hand der Nachfahren (bei Anhalt-Bernburg-Schaumburg bis 1812, durch Heirat bis 1867 bei Habsburg-Lothringen, bis 1888 bei Oldenburg, anschließend Waldeck). Besonders bedeutsam war die Zeit von 1848-1867, als Erzherzog Stephan von Österreich auf der von seiner Mutter ererbten Schaumburg sein Exil verbrachte und das Schloss mit der großen europäischen Politik in Verbindung kam. Der kunstsinnige und universal gebildete Schlossherr legte eine umfangreiche Bibliothek und eine einzigartige Mineraliensammlung an, wodurch der gesellschaftliche Verkehr erheblich zunahm. Besonders prägend war der Um- und Neubau des heruntergekommenen Schlosses, den er von 1850-1857 unternahm. Er starb 1867, sein Alleinerbe war Herzog Ludwig von Oldenburg. Dennoch erstritt das Haus Waldeck-Pyrmont 1887 die Herausgabe des Schlosses, in deren Familienbesitz es bis 1984 verblieb. Nach Teilveräußerungen erlebte es in den letzten 20 Jahren einen mehrfachen Besitzerwechsel. (Reinhard Friedrich)

Bauentwicklung:

Insbesondere die frühe bauliche Entwicklung des Schlosses Schaumburg bedarf noch eingehender archivalischer und bauhistorischer Untersuchungen. Das heutige Erscheinungsbild mit den drei hochaufragenden polygonalen Türmen wurde im Wesentlichen durch die neugotische Umgestaltung Mitte des 19. Jhs. geprägt. Historische Bildquellen des 18 und frühen 19. Jh. zeigen eine geschlossene, mehrflügelige Anlage mit runden Ecktürmen ohne Bergfried. Von 1850 bis 1855 schuf der Architekt Carl Boos im Auftrag des Erzherzogs Stephan von Österreich unter Einbeziehung von Teilen der mittelalterlichen und barocken Vorgängeranlage eine stattliche neugotische Schlossanlage von prägnanter Silhouettenwirkung.(Reinhard Friedrich, Jens Friedhoff)

Baubeschreibung:

Von der mittelalterlichen, auf einem Berggipfel gelegenen Burganlage hat sich durch die späteren Umbauten nur wenig Substanz erhalten. Mittelalterliche Reste enthalten lediglich der Torbau an der Südseite sowie zwei starke Rundtürme an der Ostfront. Offenbar dienten sie zur Flankierung wohl einer Schildmauer an der am meisten gefährdeten Ostseite, wie eine Darstellung von 1780 nahe legt. Anhand von Bildquellen lässt sich auch noch ein Treppenturm mit Bogenfries im Innenhof ausmachen. Vom 17. bis Anfang des 19. Jhs. wurden von den verschiedenen Besitzern bauliche Veränderungen vorgenommen, die die mittelalterliche Substanz überformten. Vor 1850 wurden jedenfalls der "Alte Bau", der" Fach(werk)bau" sowie der "Mittelbau" errichtet, die auf einem Plan von 1868 genannt werden und den viereckigen Innenhof an drei Seiten umgeben.
Die prägendsten, das heutige Erscheinungsbild bestimmenden Veränderungen fanden in der Zeit statt, als Erzherzog Stephan von Österreich Eigentümer der Burg war. Nach seinen Vorstellungen wurde die Burganlage 1850-55 durch Carl Boos im Stil der englischen Neugotik völlig umgestaltet. Dabei wurden einerseits die vorhandene Architektur geschickt überformt, andererseits auch wirkungsvolle Neubauten errichtet. Deren markanteste sind der westlich an den Hof anschließende, gestreckte dreigeschossige Stephansflügel mit schlanken achteckigen Türmchen an der schmalen Westseite und zweiachsigem Mittelrisalit an der Hoffront sowie der mächtige, die Gesamtanlage überragende Josephsturm, alle mit neugotischen Zinnen versehen. Durch diese vertikalen Akzente wurde die Fernwirkung völlig verändert. Auch die Hoffassade wurde dem repräsentativen Gebrauch entsprechend umgestaltet und stilistisch vereinheitlicht. Rechtwinklig zum neuen Hauptbau schließt sich unter Verwendung mittelalterlichen Mauerwerks und spätmittelalterlicher Bauteile der Ostflügel mit zwei an Südost- und Nordostecke vorspringenden Rundtürmen an. Die Hoffront mit einem von zwei Bronzestatuen flankierten Hauptportal ist in Material und Gestaltung dem Hauptflügel angepasst. Im Südostturm befindet sich die Schlosskapelle, die Südseite des Schlosshofes wird von einem dreigeschossigen Fachwerkbau begrenzt. An der Nordseite befindet sich die neue Zufahrt mit dem Torbau von 1855, an der Südseite lag der alte Burgzugang: An diesen schließen sich Reste der spätgotischen Zwinger- und Vorburgmauern mit einem runden Flankenturm an. Insgesamt entstand so ein einheitlich wirkendes Ensemble aus Bausubstanz der vorhergehenden Epochen und zeitgenössischer englischer Neugotik. In dieses wurden auch die Außenanlagen wie eine weitläufige Gartenanlage, ein im Stil des französischen Barock gestalteter Fürstengarten, der Wintergarten im Innenhof des Schlosses sowie ehemalige Wirtschaftsgebäude unterhalb des Schlosses (Waldecker Hof, Talhof von 1778) gestalterisch einbezogen. (Reinhard Friedrich)