Geschichte:
Das heutige Schloss der Fürsten von Sayn-Wittgenstein-Sayn geht im Kern auf einen spätmittelalterlichen, im 15. Jh. entstandenen Burgmannensitz der Herren von Reiffenberg zurück. Durch die am 22. Dezember 1753 geschlossene Ehe des Ludwig Joseph Wilhelm Reichsfreiherrn zu Waldeck und Montfort (1734-1813), kurtrierischer Oberhofmarschall und kurpfälzischer Oberamtmann in Simmern mit Sophie Maria Anna Freiin von Reiffenberg (gest. 1787), Tochter des Anselm Friedrich Anton Freiherrn von Reiffenberg und Sayn sowie dessen Gattin, Maria Anna von Eltz, gelangte der Reiffenberg`sche Besitz zu Sayn an die Familie von Boos zu Waldeck. Bereits zu Beginn der 1840er Jahre bekundete der in russischen Diensten stehende Ludwig Adolph Friedrich Fürst zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg reges Interesse an der Stammburg seiner Vorfahren. Bereits 1843 korrespondierte er mit dem Darmstädter Architekten Georg Moller bezüglich der Planung eines Schlossneubaus auf dem nördlich des Saynbachs gelegenen Friedrichsberg. Aufgrund der immensen Kosten kam das Bauprojekt nicht zur Ausführung. 1847 trat Fürst Wittgenstein in Kaufverhandlungen mit dem Grafen von Boos zu Waldeck ein und im Sommer 1848 ging das Schloss der Boos zu Waldeck samt Zubehör für 125.000 Reichstaler in das Eigentum des Fürsten Ludwig Adolph Friedrich zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg über. 1861 nahm der neue Schlossherr den Titel des Fürsten zu Sayn-Wittgenstein-Sayn an. Für den großzügigen Umbau des Schlosses im Stil der Neugotik konnte der Auftraggeber den berühmten Architekten Alphonse Francois Gerard (1806-1872) gewinnen, der später als Chefintendant des Louvre tätig war. Das Schloss befindet sich bis heute in Familienbesitz und beherbergt u. a. ein Museum zur Geschichte der Familie von Sayn-Wittgenstein. (Jens Friedhoff)
Bauentwicklung:
Die Baugeschichte des spätmittelalterlichen Burgmannensitzes der Herren von Reiffenberg ist bislang noch nicht eingehend untersucht worden. Im nordwestlichen Teil des heutigen Schlosses Sayn befinden sich zwei unterschiedlich alte tonnengewölbte, später miteinander verbundene Keller, die vermutlich zu zwei turmartigen Baukörpern gehört haben. Unter den Grafen Boos von Waldeck wurde der Burgmannensitz um 1757 zu einem barocken Herrensitz umgestaltet. Nach dem Übergang an das fürstliche Haus Sayn-Wittgenstein-Sayn erfolgte ein neugotischer Um- und Ausbau der Anlage unter weitgehender Beibehaltung der Substanz der Vorgängerbauten. Von 1848 bis 1851 schuf der französische Architekt Alphonse Francois Girard (1806-1872) unter Verwendung von vorgefertigten Elementen aus der Sayner Hütte (Fenster- und Dekorationselemente aus Eisenguss) einen beeindruckenden neugotischen Schlossbau, dessen Hauptfassade auf den ebenfalls unter den Fürsten von Sayn-Wittgenstein-Sayn geschaffenen großzügigen englischen Landschaftspark ausgerichtet war. Einzelne Teile des Parks, wie z.B. die in Resten erhaltene prächtige Kastanienallee und das seit 1945 ruinöse Gartenhaus stammen noch aus der Zeit des Barock. Am Ostende des fürstlichen Schlosses zu Sayn errichtete der Bauinspektor Hermann Nebel (1816-1893) an der Stelle eines älteren Sakralbaus in den Jahren 1860 bis 1862 eine neugotische Schlosskapelle, die ihr architektonisches Vorbild in der französischen Kathedralgotik hat. Nach der im Jahr 2000 binnen zwei Jahrzehnten abgeschlossenen Wiederherstellung des im März 1945 stark zerstörten Schlosses wurde die Anlage revitalisiert und einer neuen denkmalverträglichen Nutzung zugeführt. (Jens Friedhoff)
Baubeschreibung:
Auf einem um 1720 entstandenen Aquarell von Walburga Prinzessin von Sayn-Wittgenstein nach einem Ölbild auf Schloss Berleburg ist der Burgsitz der Herren von Reiffenberg als ein vielgliedriges Gebäudeensemble mit schiefergedeckten Satteldächern abgebildet. Im Zuge des barocken Um- und Ausbaus unter der Familie von Boos zu Waldeck entstand Mitte des 18. Jahrhunderts ein dreiteiliger mehrgeschossiger Gebäudekomplex, dessen Schauseite auf das Gelände des späteren englischen Landschaftsgartens ausgerichtet war, der über einen bescheidenen barocken Vorgänger verfügte. In das Ensemble, das u. a. abseits gelegene Wirtschaftsgebäude verfügte, wurde ein spätmittelalterlicher Turm der Ortsbefestigung miteinbezogen. Die Fassade des Torturms wurde barock umgestaltet und erhielt eine barocke Bedachung mit Laterne. Nach dem Übergang des Schlosses an das fürstliche Haus Sayn-Wittgenstein wurde der im Kern barocke Baukörper neugotisch überformt. Die Gebäudeecken wurden durch Pilaster, die in neugotischen Filialen enden, betont. Das die Dachfläche der Hauptfassade bestimmende Zwerchhaus erhielt einen neugotischen Stufengiebel. An die Stelle des barocken Daches trat ein achteckiger Aufsatz von neugotischer Architektur, der die Wirkung des spätmittelalterlichen Torturmes steigerte. Im Zuge der Wiederherstellung des im Zweiten Weltkriegs zerstörten Schlosses erhielt der Turm erneut ein barockes Dach. Die die Schlossterrasse mit dem weitläufigen englischen Landschaftspark verbindende Freitreppe wurde nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr hergestellt. (Jens Friedhoff)