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Gozzoburg

Geschichte:

995 erfolgt in einer Urkunde Ottos III. die erste Erwähnung des befestigten Siedlungsbereiches, der "orientalis urbs, quae dicitur Chremisia". Spätestens in der 2. H. d. 10. Jhs, bzw. nach 955, ist mit einer befestigten Höhensiedlung als ältesten Stadtkern von Krems zu rechnen. Die Bezeichnung "Reichsfeste" des 10./11. Jahrhunderts mit Sitz der Reichsverwaltung (nach Buchmann/Faßbinder) kann mangels Quellen nur bedingt nachvollzogen werden.
Für die in der Literatur behauptete Gründung eines an der Stelle der späteren Gozzoburg gelegenen Wehrbaus fehlen jegliche archäologische und bauhistorische Belege. Auch die wiederholt aufzufindende Lokalisierung der zwischen 1120/30 und 1190 nachweisbaren ältesten Münzstätte Österreichs in der Burg ist eine reine Hypothese ohne Quellenbasis. Historisch dezitiert fassbar ist der Bau 1258, als eine Urkunde "in domo dicti Gozzonis tunc Judicis" ausgestellt wird. Der reiche Kremser Bürger Gozzo, 1247 erstmals urk. genannt, zwischen 1249 und 1282 Träger bedeutender Ämter unter Kg. Ottokar II. und Rudolf I. v. Habsburg ist maßgeblicher Mitinitator der repräsentativen Ausbauten; inwieweit sich seine Besitzungen nur auf Teile der Gesamtanlage erstreckten und ob Teile, wie das Loggiagebäude Richtung Hoher Markt nicht viel mehr auf den Stadtherren Ottokar II. zurückzuführen sind, ist Gegenstand laufender Diskussionen. 1267 wird eine dem hl. Johannes Ev. geweihte Kapelle genannt, die vor 1314 ein Katharinenpatrozinium erhält. Nach Gozzos Tod gelangt der Bau zunächst an seine Söhne, dann an seinen Schwager, den Stadtrichter Greif. Nach dessen Tod verkauft vermutlich Jans der Greif 1319/20 an die Habsburger, behält sich jedoch die Lehenschaft über die Katharinenkapelle. Die Habsburger setzen Bgfn. zur Verwaltung ein. Unter diesen sind die Hrn. v. Winkel, Burkhard I .Gf. Hardegg, Heinrich Schenk, die Hrn. v. Maissau, die Hrn. v. Wallsee und Konrad v. Frauenberg nachweisbar. Zeitweise ist die Burg auch verpfändet, so von 1398 bis 1415 an Ulrich v. Dachsberg, im 15. Jh. zeitweilig auch an niedere Adelige, u. a. an Zdenko v. Sternberg. In den Kriegen zwischen 1478 und 1483 ist die Pflegschaft in den Händen der Stadt selbst. 1477 belagert und schwer beschädigt, zwischen 1484 und 1487 erfolgen unter dem Pfleger Paul Engel massive Umbauarbeiten. Noch vor 1500 verkauft K. Maximilian I. den Komplex, der schließlich in den 80er Jahren des 16. Jhs. in bürgerliche Wohnhäuser aufgeteilt wird. Der Gebäudekomplex ist heute (2007) im Besitz der einer Gebäudeholding und wird für Amtsräumlichkeiten, ein Museum und private Nutzung adaptiert. (G.R., T.K.)

Bauentwicklung:

Nach derzeit (2007) laufenden Bauuntersuchungen kann der stadtburgartige Komplex der "Gozzoburg" als mehrteilige Anlage beschrieben werden, die im 13. Jh. aus mehreren Bauphasen entstand. Als ältester Baukörper konnte vom Burgenforscher Team Günther Buchiger/Paul Mitschell/Doris Schön ein turmartiger Bau der ersten Hälfte des 13. Jh. an der zentralen Südfront nachgewiesen werden. Ab den 1250er Jahren bis ins späte 13. Jh. entstanden in mehreren, durch dendrochronologische Daten gut fassbare Bauetappen, sowohl der Ausbau nach Osten, Westen und Nordwesten. Dazu gehören der an der Nordwestecke der Anlage errichtete Saalbau mit Loggia und der westlich anschließende Torturm mit integrierter Kapelle im Obergeschoss, welcher als Gerichtssitz des landesfürstlichen Stadtherrn Kg. Otokar Przemysl und seines Stadtrichters interpretiert wird. Über die Quellenbelege wird auch die im äußersten Osten der Anlage situierte zweigeschossige Kapelle mit hochgotischen Maßwerkfenstern und Rippengewölbe als Privatkapelle des Stadtrichters Gozzo interpretiert, wobei die Unterkirche erst im frühen 14. Jh. eingerichtet wurde. Die donauseitige Südfront des Komplexes erhielt einen großen, palasartigen Baukörper, welcher in den Obergeschossen zumindest zwei Stubenbefunde enthalten haben dürfte. Westlich anschließend folgten zwei Säle, von denen der jüngere in einem turmartigen Bau integriert war. Von großer Bedeutung sind die im Saal aufgedeckten Profanfresken und ein darunter befindlicher Wappenfries; die Datierungsvorschläge für das noch nicht enschlüsselte ikonographische Programm reichen derzeit (2007) von den 1260er Jahren bis in das frühe 14. Jh. Weitere Ausbauten erfolgten im 14. Jh., Eine umfassendere Umgestaltung mit Arkadengängen im östlichen Hof und Änderungen im Raumprogramm ist für das späte 15. Jh. zu verzeichnen. (T.K.)

Baubeschreibung:

An der nordöstlichen Ecke der Altstadt liegt über einem steilen Felsgrat zum Kremstal das wohl älteste befestigte Areal von Krems. Die südl. Begrenzung ist in der sog. "Burggasse" zu sehen, nördl. reicht das Areal bis zur heutigen "Pulverturmgasse". Der Stadtteil heißt noch heute "Auf der Burg". Dennoch sind in diesem Bereich, der sich durch besondere Unberührtheit und Regellosigkeit der Bebauung auszeichnet, keinerlei offensichtliche Reste festzustellen. Nach Buchmann/Faßbinder sind durch Häuser östl. des Hohen Marktes und der Burggasse Teile einer frühen (Ring-)Mauer überbaut. Schweiger erwähnt Wall- und Grabenreste im Garten des Instituts der Englischen Fräulein, die auf eine ehem. nördl. Sicherung des Areals weisen könnten. Die Überlieferung "Auf der Burg" ist nicht durch einen Burgbau im engen Sinn, sondern durch einen frühen, befestigten Siedlungstyp, der "urbs", gegeben, aus deren räumlich beschränktem Areal sich schrittweise die Stadt des Hoch- und Spätmittelalters entwickelte. An der südl. Basis des Hohen Marktes, liegt über dem Steilabfall zur Unteren Landstraße, an ehem. dominierender, zentraler Lage des Stadtbereiches des 11. Jhs., der vielteilige Gebäudekomplex der ehem. Burg von Krems und des als "Gozzoburg" bekannten Stadtpalais. Der vorgelagerte Hohe Markt, ein Dreiecksplatz, ist aus einer Straßengabelung hervorgegangen und war bis ins 14./15. Jh., zwischen Burg und ehem. Pfarrkirche situiert, Mittelpunkt der Stadt. Der heute allgemein als "Gozzoburg" bekannte, 3-höfige Gebäudekomplex am Felsabfall zur Unteren Landstraße besitzt durch seine Vielzahl an vornehmlich spätmittelalterlichen Architekturelementen ein markantes, noch stark dem Mittelalter verhaftetes Erscheinungsbild. Klaar rekonstruiert im östl. Bereich die ehem. Burganlage des 11. bis mittleren 12. Jhs. und sieht in einem über dem Abhang aufragenden, mächtigen Rechteckbau Reste eines frühen Saalbaus von 12 x 22 m Größe mit vorgelagertem Rechteckhof. Diese vor allem typologisch begründete Vermutung kann durch derzeit (2005) laufende Bauforschungen widerlegt werden, die einen mehrgliedrigen, mehrphasigen unterkellerten Gebäudekomplex des 13. Jahrhunderts als älteste erhaltene Bauteile ergeben.
Der bedeutendste Baukörper der heutigen Anlage befindet sich an der Nordwestecke. Hier hat sich bemerkenswert vollständig ein repräsentativer Prunkbau erhalten, dessen Schaufassade zum Hohen Markt gerichtet ist. Zum Platz öffnet sich eine fünfjochige, erhöhte Loggia mit Sitznischen und Kreuzrippengewölbe auf polygonalen Konsolen. Das östliche Joch war mit größerer Arkade und Stufenanlage ausgezeichnet und führte einst als Durchgang zum Innenhof bzw. zu einem ebenerdigen Saal. Westlich ist, um die Laube zurückgesetzt, ein weiterer Raum angegliedert, der noch heute als Durchfahrt dient. Über der Laube lag ein durchgehender Saal, der zum Platz durch vier großformatige Biforenfenster mit reicher Profilierung repräsentativ geöffnet war. Die weitgehend erhaltenen Steingewände zeigen mit Spitzbögen sowie Kleeblattrundbögen und eingesetzten Vierpässen eine wohl gezielte Mischung spätromanischer und frühgotischer Elemente. Im seitlichen Annex deutet ein konisches Okulus-Fenster auf eine ehemalige beheizbare Stube. Ein darüber liegendes Biforenfenster belegt ein drittes Geschoß, welches mit einem Kreuzrippengewölbe mit "Agnus Dei"-Schlussstein ausgestattet ist und daher wohl als (Tor-)Kapelle angesprochen werden kann. Nach Schedl wurzeln die offenen Arkaden in der Tradition italienischer Kommunalpaläste, daher ist der Bau wohl nicht als klassische Burg sondern vielmehr als frühes Rathaus zu interpretieren, die Loggia und der Saal wurden demnach für öffentliche Verhandlungen genutzt. Zur Datierung ergeben sich unterschiedliche Anhaltspunkte. Die spätromanischen Biforen sind etwa in Vergleich mit der Burg Starhemberg und dem Passauer Hof in Ybbs noch vor die Mitte des 13. Jhs. zu setzen. Auch die Konsolen und Rippenquerschnitte der Loggia erinnern an Zisterzienserbauten in Heiligenkreuz und Lilienfeld dieser Zeit. Ähnliche Formen bleiben aber über einen längeren Zeitraum üblich, etwa unter Ottokar II. in der Minoritenkirche in Stein und der Dominikanerkirche in Krems. Das teilweise reine Ziegelmauerwerk, das sich mit Bruchsteinzonen und gequaderten Gebäudeecken ablöst, findet sich ebenfalls ab den Babenbergern. Demgemäß scheint nur eine grobe Datierung ins 2.D. d. 13. Jhs. möglich, vielleicht wurde der Bau unter dem Stadtrichter Gozzo mit bewusst retardierenden Architekturelementen ausgeführt. Im östlichen Hof hat sich die zugehörige Johanneskapelle (ab 1314 Katharinenkapelle) erhalten, die 1267 erstmals genannt wird. Der quadratische hohe Bau zeigt im Obergeschoß eine auskragende polygonale Apsis, außen finden sich breite Wandlisenen und Kämpferbänder.
Der Gesamtkomplex wurde im Laufe der Jahrhunderte vielfach überformt, so zeigen zahlreiche Teile vielfältige Spätmittelalter- und Renaissance- Details, verstäbte Portal- und Fensterrahmungen, Malereireste, Sgraffitodekorationen, etc. Hervorzuheben sind im Obergeschoß des Südtraktes 2 Räume mit Wandmalereien um 1470/80, darunter Wappenschilder und die Inschrift AEIOU. Die Renaissancearkaden des Westhofes sind mit 1548 bezeichnet.
(G.R., P.S., T.K.)

Arch-Untersuchung/Funde:

2005 bis 2007 baubegleitende archäologische Untersuchungen durch das Bundesdenkmalamt in Kooperation mit dem Verein Archäologie-Service und dem Verein ASINOE. .