EBIDAT - Die Burgendatenbank

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Wissen bei Weeze

Geschichte:

Die Burg war Stammsitz der bedeutenden Herren von der Straten, einer aus Flandern stammenden Familie, die seit dem 13. Jh. im geldrischen Gebiet nachweisbar ist und sowohl im geldrischen als auch im klevischen Gebiet belehnt und aktiv war. Das Haus mit Vorburg und Mühle war ein Lehen des Propstes von Xanten und wird urkundlich 1372 erstmals genannt. Im Kreuzgang (Anfang 15. Jh.) des Klosters Grafenthal bei Goch findet sich das Wappen der Familie von der Straten auf einem Schlussstein des Gewölbes: ein silberner Fisch im roten Feld. Die Herren von der Straten gehörten zu den führenden Familien im Herzogtum Geldern. So haben sie wiederholt den Amtmann im geldrischen Amtsbezirk Goch gestellt. Im Jahr 1401 wurde auf dem Haus zu Wissen ein Altar geweiht, womit eine Kapelle bezeugt ist. 1461 verkaufte die Tochter des Johann von der Straten, Anna, den Besitz ihres um 1440 verstorbenen Vaters an Johann van den Loe. Sein Sohn Wessel wurde 1473 erster klevischer Amtmann zu Goch, welches in diesem Jahr an das Herzogtum Kleve gefallen war. Herzog Karl der Kühne entlohnte damit Herzog Johann II. von Kleve, der ihn im Krieg gegen Geldern tatkräftig unterstützt hatte.1497 erhob Herzog Johann II. Wissen zu einer eigenen Herrlichkeit. Die Familie von Loe, die 1629 in den Freiherren- und 1808 in den Grafenstand erhoben wurde, ist bis heute kontinuierlich im Besitz des Schlosses. (Jens Wroblewski)

Bauentwicklung:

Die bauliche Entwicklung der Wasserburg ist über Abbildungen und Karten des 16. bis 18. Jh. (u.a. Cornelis Pronck, Jan de Beijer) sowie über die jetzige Bausubstanz nachvollziehbar.
Dem Haupthaus im Norden gegenüber liegt die dreiflügelige Vorburg. Sie ist über eine Steinbogenbrücke von Osten her zu betreten. Das im Vergleich zur Vorburg eher schlichte Haupthaus ist in seiner äußeren Gestalt oft verändert worden, zuletzt 1969 bis 1973. Damals wurde der Ostflügel, die Durchfahrt im Norden, ein Erker an der Südostecke und eine Gartenterrasse entfernt sowie die neugotischen Zutaten beseitigt und das ganze Haus um ein niedriges Stockwerk erhöht.
Ältester Bestandteil der Hauptburg ist der Südflügel, der sich im Grundriss durch sein massives Mauerwerk (über 2 m) von dem Westflügel abhebt. Der rechteckige Baukörper (etwa 23 x 11 m) ist mit einer Zwischenwand in zwei ungleich große Räume separiert. Dieser wahrscheinlich dreigeschossige hausartige Wohnturm findet typologische Parallelen in ähnlichen Burgbauten in der näheren Umgebung von Nimwegen (NL). Die archäologisch untersuchten Burgen Balgoy (20 x 12 m, Mitte 14. Jh.) und Heumen (23,4 x 11,4 m, 1. H. 14. Jh.) seien zum Vergleich genannt. Im Verlauf des 14./15. Jh. wurde der große Wohnturm zu einer Vierflügelanlage erweitert, die um 1550 mit Treppengiebeln, runden Eckerkertürmchen und aufwändigen Erkeranbauten im Stil der Renaissance modernisiert wurde. Von der sicherlich qualitätvollen Innenausstattung sind lediglich Reste eines reich verzierten Kamins erhalten, die aus der Werkstatt des Kalkarer Bildhauers Arnt van Tricht stammen. Um 1770 folgte der Umbau im Stil des Spätrokoko zu einem Landschloss. Sämtliche Bauspuren des 16. Jh.s wurden entfernt, die Fenster nivelliert, das Schloss verputzt und mit einem Mansarddach versehen.
Mit den neugotischen Umbauten ab 1876, unter der Leitung des Kölner Baumeisters Vinzenz Statz, kam es zu einer Rückbesinnung auf den "mittelalterlichen" Zustand. Der Außenputz wurde entfernt und das Haus mit neuen Satteldächern, Giebeln und unterschiedlich hohen Dachzonen belebt. Im Bereich des Zwischengrabens erbaute Statz eine neugotische Kapelle, die als einziges Zeugnis dieser Bauzeit mit einer hochqualitativen Innenausstattung die Veränderungen des 20. Jh. überlebt hat.
Auch die Vorburg geht in ihrem Kern auf das 14. Jh. zurück. Nord- und Westflügel zeigen in ihren Außenmauern eine vorgekragte Wehrgangebene über einem umlaufenden Spitzbogenfries, der auch am runden Turm auf der Nordwestecke zu beobachten ist. Im Westflügel hat sich das alte Burgtor erhalten. Über der spitzbogigen Durchfahrt mit Zugbrückenblende treten zwei erkerartige runde Türmchen vor. An der Stelle des heute barocken Ostflügels mit offener Torhalle (um 1740) verlief früher die mittelalterliche Vorburgringmauer mit einem quadratischen Turm nahe der Südostecke. Links daneben befand sich ein jüngeres Torgebäude aus dem 16. Jh. Die Verlegung des Vorburgzuganges von der West- auf die Ostseite erfolgte noch vor 1550. Mit den neugotischen Bauaktivitäten wurde die Hofseite des Westflügels neu gestaltet.
Gesonderte Aufmerksamkeit verdient ein aus Ansichtszeichnungen der 1. H. des 18. Jh. (Cornelis Pronck, Jan de Beijer) bekannter großer Rundturm, der freistehend südwestlich der Hauptburg lag. Im 18. Jh. diente der Turm als Orangerie, doch ist er über seine Architektur sicher älteren, mittelalterlichen Ursprungs. Der Turm findet sich zudem dargestellt auf einer Zeichnung Wissens aus dem 17. Jh. sowie auf dem Klevischen Kataster von um 1730. Er verschwand mit den Umbauarbeiten um 1770. Ansprache und Funktion zu dem imposantenTurm müssen offen bleiben. (Jens Wroblewski)

Baubeschreibung:

Ausgedehnte, zweiteilige Wasserburg. Hauptburg im Süden durch Vorburg im Norden über eine Steinbrücke erreichbar. Zugang zur Vorburg durch deren Ostflügel über eine zweite Steinbrücke. Älterer Vorburgzugang im Westflügel erhalten.
Hauptburg auf rechteckiger, grabenumwehrter Insel. Wasserspeisung durch den Fluss Niers. Von der ehemals vierflügeligen Hauptburg durch Abrisse 1969-73 nur noch Süd- und Westflügel erhalten. Schmuckloser, von neugotischen Zutaten befreiter, mehrgeschossiger Baukörper über hohem Sockel (Kellerzone). 1969-73 um ein neues niedriges Obergeschoss erhöht. Im Südflügel im Kern der Gründungsbau der Hauptburg mit separierender Binnenwand. Im Inneren aus der Modernisierungsphase von um 1770 wohl die noch erhaltenen Stuckdecken und Vertäfelungen. Nördlich an die Hauptburg angrenzend und in den Binnengraben gestellt die neugotische Kapelle von Vinzenz Statz (1876-78) mit vollständig erhaltener Ausstattung. Dreijochige Halle mit schmalen Seitenschiffen mit umlaufender Empore auf drei Seiten. Nach Osten halbrunde Chorapsis. Die ältere achteckige Kapelle als Sakristei integriert. Ausmalung der Kapelle nach Plänen von Eduard von Steinles, Glasfenster von J. H. Hardman, Birmingham, Mobiliar nach Entwürfen von Statz.
Die dreiflügelige Vorburg im Norden zur Hauptburg hin offen. West- und Nordflügel zur Wasserseite hin im spätmittelalterlichen Zustand (14. Jh.) mit Spitzbogenfries unterhalb der ehem. Wehrgangebene. Auf der Nordwestecke ein zeitgleicher Rundturm mit hohem Helm, oberer Aufbau neugotisch rekonstruiert. Im Mauerwerk hier Reste einer Schlüssellochscharte. Im Westflügel das alte Burgtor mit Zugbrückenblende und erkerartig vorkragenden Halbtürmchen. Der Ostflügel mit vortretendem Torbau wurde um 1740 im Stile des Barock an Stelle der mittelalterlichen Wehrmauer mit Eckturm und einem Renaissancetorhaus völlig neu errichtet. Zu selben Zeit wurde die Hofseite des Nordflügels neu gestaltet. Die Hofseite des Westflügels ist in neugotischen Formen angepasst worden. Um das Schloss der Park mit einer Orangerie aus dem 18. Jh.
Nördlich der Vorburg die neuzeitliche Gebäudegruppe der früheren Gesindesiedlung (sog. Boye-Siedlung) mit einer Wassermühle aus dem 16. Jh. (Jens Wroblewski)