Geschichte:
Mit einer Befestigung des 9. oder 10. Jh.s glückte in Enger der Nachweis eines befestigten sächsischen Herrensitzes mit Eigenkirche "an einer durch eine Furt akzentuierten Kreuzung zweier Straßen gehobener Bedeutung" (Schütte 1981). Die Anlage umschloss den Bereich der späteren Stiftskirche und -gebäude, der späteren Burg der Edelherren zur Lippe und der südlich auf den Stiftsbezirk zulaufenden Hauptstraße. Die umwallte und durch die Talsohle des Bolldammbaches geschützte Fläche würde demnach bei etwa 5 ha liegen. Eine Grabung förderte 32 m nördlich der Stiftskirche Abschnitte zweier zeitlich aufeinander folgender Spitzgräben von 1,20 und 2,50 m Tiefe und einer Breite (des jüngeren) von 7 m zutage. Ihr Verlauf steht auf eine Länge von 100 m nördlich der Kirche nur ungefähr fest. Die Befestigungen lehnten sich anscheinend zum einen an den Siek an, der westlich der Kirche nach Süden auf den Bolldammbach zuläuft, zum anderen, im Südosten, an den Bach selbst. Die Vermutung, Enger sei zunächst widukindischer Besitz gewesen, gilt durch die Stiftsgründung (vor 947) der Königin Mathilde, seiner Nachkommin, als gewiss.
Innerhalb des Walles entstand vermutlich gegen Ende des 12. Jhs. die dem Stiftsbereich südwestlich benachbarte Burg der Edelherren zur Lippe. Sie ist als Anknüpfungspunkt topographischer Sonderentwicklungen beschrieben worden und war von Bedeutung für die Herrschaft der Edelherren zur Lippe als Stiftsvögte; die Vogtei ist erstmals 1185 greifbar. Die Niederlage Simons I. zur Lippe im Jahre 1302 gegen eine Koalition der Bischöfe von Münster, Osnabrück und Paderborn, Ottos III. von Ravensberg und der Stadt Herford zwang Simon 1305, die in diesem Zusammenhang erstmalig erwähnte Anlage zu schleifen. Simon musste sich verpflichten, sie niemals wieder aufzubauen und keine Burg oder Befestigungsanlage zu errichten oder in Pfandbesitz zu nehmen, die näher an der Osnabrücker Diözese läge, als die derzeitigen osnabrückischen Befestigungen. Drei Jahre später legte eine Urkunde fest, die Gräben der Burg zuzuwerfen. 1254 ist eine ecclesia forensis - in diesem Fall vermutlich im Sinne einer Marktkirche zu verstehen - in der Nähe ("vicina") der Stiftskirche bezeugt, die möglicherweise auf dem Burggelände stand. Nachrichten über die Einbeziehung einer Kirche zu Enger in die Burg der Edelherren zur Lippe nach 1300 sowie Zeugnisse über eine Burgkapelle des 15. Jhs. sind eventuell auf die ecclesia forensis bzw. deren Reste zu beziehen. 1456 belehnte der Propst des inzwischen nach Herford verlegten Stifts St. Johann und Dionys den Kleriker Hermann Colebat mit dem Benefizium der Kapelle auf der Burg in Enger. Noch 1501 bestätigte Friedrich von Nagel den Verkauf einer Rente zur Vikarie St. Johannes auf der Burgkapelle. Nach der Teilung der Herrschaft Lippe nach 1344 fiel Enger an verschiedene kleinste Herrschaften, zwischen 1356 und 1372 bildete das aus den Besitzungen in und um Enger bestehende "Amt Enger" eine Art unabhängiger Herrschaft des Kölner Domherren Otto zu Lippe. Ab 1372 war es verpfändet, seit 1409 an die Herzöge von Jülich-Berg als Grafen von Ravensberg. 1520 kam es mit dem Herzog um das Amt Enger zu Zwistigkeiten mit Unterpfandnehmer Friedrich von Nagel. Das ganze 16. Jh. ist Burg Bustedt (siehe dort) als Sitz des Amtes Enger belegt. Der Besitz des Amtes lag vom 15. bis zur Mitte des 16. Jhs. in der Hand adeliger Unterpfandnehmer. Wiederholte Auslösungsversuche der Pfandschaft sind insbesondere im 16. Jh. unter dem Junker und späteren Edelherrn Simon VI. zur Lippe dokumentiert. 1559 lösten die Herzöge von Jülich-Kleve-Berg das Unterpfand der von Nagel aus und setzten nichtadelige Vögte als besoldete Beamte ein. Laut von der Horst 1894 sei aus der Burg das 1556 genannte landtagsfähige Rittergut "Haus Enger" hervorgegangen, 100 m östlich der Kirche außerhalb des Ortskerns gelegen. Mit ihm war möglicherweise der Besitz des einstigen Burggeländes verbunden, doch liegen über die Eigentumsverhältnisse der Burgstelle bis ins 19. Jh. hinein keine sicheren Mitteilungen vor. Jenes Rittergut "Haus Enger" gehörte 1589 der Familie von Varendorff, 1689 und 1710 waren die von Quernheim Besitzer, die sich "Herren von Enger" nannten. Wie lange sie das Gut besaßen, ist unklar. Ein Miterbe beantragte um 1758 die öffentliche Versteigerung. Sofern die Burgstelle zum Gut gehörte, ist nicht auszuschließen, dass sie in diesem Zusammenhang den Besitzer wechselte. 1825 war das Burggelände von Nord nach Süd in drei Parzellen geteilt und ostwärts, zur Burgstraße hin, bebaut. Die mittlere Parzelle befindet sich spätestens seit Mitte des 19. Jh.s in Besitz der Familie Strack (Burgstr. 8), über die Besitzer der anderen Parzellen ist nichts Sicheres mitgeteilt. (Andreas Kamm)
Bauentwicklung:
Die baulichen Ursprünge der lippischen Burg Enger liegen möglicherweise in der Zeit um 1180. Die nächstfolgende Nachricht über die Einbeziehung einer Kirche - vielleicht der 1254 erwähnten ecclesia forensis - in die Burg Enger datiert in die Zeit nach 1300. Edelherr Simon I. musste die Burg 1305 schleifen, 1308 sollten ihre Gräben ("fossata") zugeschüttet werden. Es dürfte sich um trockene Gräben gehandelt haben, ihre Spuren förderte eine Grabung 1881 nicht zutage. Der Bereich unmittelbar westlich der Burg, "die Pferdeschwemme" genannt, mag auf einen dortigen Teich hinweisen. Vor 1456 existierte eine Burgkapelle: Heinrich Keserlynck, Propst des Herforder Stifts St. Johann und Dionys, investierte in Gegenwart der Kanoniker des Stifts den Kleriker Hermann Colebat durch Aufsetzen des Baretts mit dem Benefizium der Kapelle auf der Burg in Enger. Mit Hermann Standesi ist der Name von Colebats Vorgänger bekannt, wonach das Benefizium wenigstens in die erste Hälfte des 15. Jhs. datiert. Ein weiteres Mal wird die Kapelle 1501 erwähnt. Reiner Reineccius berichtete 1589 über Ruinen in Enger. Diese Mitteilung muss sich allerdings nicht zwangsläufig auf Ruinen der Burg beziehen. Das Rechnungsbuch der Engeraner Kirche weist 1640 Reparaturen an einem Gefangenenturm nach, den Engel 1981 mit dem Hauptturm der Burg in Verbindung bringt. 1905 berichtet Suhre nach Angaben "alter, längst verstorbener Leute, die es von ihren Eltern und Großeltern gehört haben wollten" von "eine[r] Ruine mit einem Turm, der damals noch so gut erhalten war, dass man ihn auf einer Wendeltreppe besteigen konnte". Die Baulichkeiten hätten sich an der Stelle des Wohnhauses Strack befunden, und zwar noch "vor etwa 200 Jahren". 1745 hieß der Platz "Burgstette" und es stand ein Wirtshaus darauf. Culemann beschrieb in diesem Jahr "rudera" der "feste(n) Burg" wie auch der Stadtbefestigung und berichtet wie Reineccius über im Erdboden aufgefundene, als Turnierlanzen gedeutete "Spieße" und "andere Sachen" auf bzw. nahe dem Burggelände. Ältere Mauerzüge fassten noch im 19. Jh. das Grundstück der Familie Strack - eine der Parzellen des früheren Burggeländes - ein. Um 1825 stürzte eine alte, die Westgrenze des Strackschen Gartens bildende Mauer ein, bei den anschließenden Aufräumungsarbeiten kam eine Herdstelle ("Herd") mit einem schweren, reich verzierten Silberlöffel darauf ans Licht (ließ Strack vor 1905 umschmelzen). 1865 wurde die Burgstraße tiefer gelegt, wobei eine dicke, quer über die Straße laufende Mauer entdeckt worden sei. Mit der Neupflasterung der Straße wurde der Stracksche Hofplatz tiefergelegt. Hierbei kamen eine Menge behauener Steine ans Licht. Sie gehörten offensichtlich zu einer sechs- oder achteckigen Säule und fanden beim Bau einer neuen Treppe vor dem Wohnhaus Verwendung. Des weiteren kam 1865 Mauerwerk an der Nordgrenze des Gartens zum Vorschein, das dem Besitzer einige Fuder Steine lieferte. Der Mauerfund unter der Burgstraße 1865 war anscheinend Anlass für erste Grabungen 1881: Sie förderten auf dem Gelände zu beiden Seiten der Burgstraße, auf dem Strackschen und dem benachbarten Ilsaconschen Grundstück größere Mengen an Bauschutt und Steinen zutage. Als Strack um 1900 einem Nachbarn einen Teil seines Gartens abtrat, fanden sich bei der Abtragung des Geländes Knochen wilder Tiere, insbesondere zahlreiche Hauer von Wildschweinen. Zu einer alten Mauer, die vor 1905 Stracks Garten ostseitig begrenzte, gehörte noch ein achteckiger oben gerundeter Stein, der 1905 an der Ecke des Rolfschen Gartens eingemauert war. 1905 lag der Garten der Strackschen Besitzung noch 1,5 m höher als die Burgstraße. "In der Nähe des Baches" wurden bei Ausschachtungsarbeiten vor 1905 zwei "Steinbilder" gefunden. Sie stellten "in ziemlich grober Arbeit einen Ritter in mittelalterlicher Rüstung dar", ein anderes zeigte einen "Kopf, dessen Maul auf beiden Seiten vermittels der Hände aufgerissen wird. Nach oben gehen von dem Kopfe Blitzstrahlen aus". Die Spolien wurden in den einstigen westlichen Vorbau der Kirche und am ehemaligen Konfirmandenhaus eingemauert. 1916 veröffentlicht und abgebildet, fehlt von ihnen heute jede Spur. Bei Kanalisierungsarbeiten der Burgstraße 1924 fand ein Bruchstück der lippischen Rose, möglicherweise Teil eines Wappensteins, Beachtung. Niemöller beschrieb es 1927 zusammen mit einem anderen Stein, "ein[em] schön gemeißelte[n] Löwenkopf, ... der auch früher an der Stelle der Burg gefunden wurde, aber leider ... verloren ging". (Bruchstück der Rose bei Engel 1981 abgebildet). Eine Hinweistafel am Haus Strack hält die Erinnerung an die Burgstelle wach. (Andreas Kamm)
Baubeschreibung:
Der von Schütte 1981 als Burgplatz erkannte Bereich, im Grundriss etwa schild- bzw. keilförmig, im Süden spitz zulaufend, liegt zwischen der Niederung westlich der Bäckerstraße, dem Kirchplatz im Norden und dem Winkel zwischen Burgstraße und Burggraben. Das Burggelände, spätestens zu Anfang des 19. Jhs. parzelliert, und mit Hof- und Wohngebäuden besetzt, wurde später wiederholt geteilt und topographisch verändert. In den letzten drei Jahrzehnten wurde der Straßenverlauf um den Burgplatz an einigen Stellen leicht verändert oder es entstanden neue Flächen. Gegenwärtig umfassen etwa die Straßenzüge Barmeierplatz, Burgstraße, Bachstraße, Burggraben und die gedachte nördliche Verlängerung der Straße Burggraben zum Barmeierplatz hin den Grundriss der einstigen Burganlage. (Andreas Kamm)
Arch-Untersuchung/Funde:
Grabung 1881:
Bauschutt und behauene Steine;
Bei einer Ausschachtung vor 1905:
zwei Steine mit Ritterdarstellungen, eine Maske mit aufgerissenem Maul;
Bei Kanalisierungsarbeiten 1924:
Bruchstück eines Wappensteins mit der lippischen Rose; Grabungs-/Lesefund unbekannter Zeit:
Löwenkopf (vor 1927 verloren), Bruchstücke einer sechs- oder achteckigen Säule.