EBIDAT - Die Burgendatenbank

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Sölden-Wittnau, Bürgle

Geschichte:

Die Erstnennung erfolgt 1115 als "destructo castello". Im Jahre 1115 wird in diesem Zusammenhang der Adlige Gerold von Scherzingen genannt, der sich nach einem rel. weit entfernten Dorf am Rand der lössbedeckten Vorbergzone benennt. Die Burg verfügt ansonsten über keine zeitgenössischen Nennungen. Das "Bürgle" ist im 15. und 16. Jh. erwähnt, die "Burghalde" 1480, immer als Grundbesitz des Klosters Sölden.
1115 übereignete "vir nobilis Geraldus" ein "predium...apud Selidin", ein "proprium alodium...Seleden" der Abtei Cluny, damit hier ein Frauenkloster gegründet werden solle. Dieser Edle Gerold (von Scherzingen) habe zuvor seine Burg abbrechen lassen.
Es lässt sich insgesamt erschließen, dass Gerold von Scherzingen (oder ein Vorfahr) eine Burg gebaut hat. Er hatte seinen Wohnsitz aus der Rheinebene (Scherzingen am Rand der Vorbergzone) an den Schwarzwaldrand verlagert.
Die Stiftung seines Gutes an das Kloster Cluny sollte um 1115 nun eine Klostergründung in Sölden ermöglichen und die Nonnen von Bollschweil hierher ziehen. Clunys Mönch Ulrich wirkte zu dieser Zeit im nahen Möhlintal (dem späteren St. Ulrich).
Um 1115 wurde nun in Sölden eine Urkunde ausgestellt, die Reliquien aus Cluny nennt. Zahlreiche Adlige beurkundeten den Rechtsakt, bei dem das Gut übertragen wurde. Unter den Zeugen fallen bischöflich-baslerische Gefolgsleute auf, vielleicht wegen der 1008 und 1028 an den Bischof übertragenen Wildbann- und Bergbaurechte. Möglicherweise war Gerold auch als Vogt des Basler Bischofs tätig, der selbst intensive Kontakte zu Cluny unterhielt. Vielleicht hat der Basler Bischof den Kontakt nach Cluny ermöglicht. An einer zweiten Schenkungshandlung, an der der durchreisende Abt von Cluny teilnahm, war auch Herzog Bertold III. von Zähringen beteiligt.
Gerolds Vorgehen wurde als Weltflucht interpretiert, wie sie in den schwierigen Zeiten des Investiturstreits und anderer Konflikte auch bei anderen Adligen anzutreffen ist. Gerold und seine Frau tauchen später in den Schriftquellen nicht mehr auf. Ein 1125 auftretender Gerold war wohl ihr schon 1115 belegter Sohn. Möglicherweise traten Gerold und seine Frau in den Orden ein.
Hinzu kommt bei der Beurteilung jedoch auch die politische Dimension: um 1078/79 waren der Bischof und der Zähringerherzog noch verfeindet gewesen; später hat man sich wieder arrangiert und kooperierte 1087 bei der Gründung des Klosters St. Ulrich. Im 12. Jh. war der Bischof stark in die Defensive geraten, da die Zähringer durch ihre Ministerialen seinen Einfluss eindämmten.
Schon 1112 scheint der zähringische Druck Gerold von Scherzingen bewogen zu haben, seine Güter in Zähringen und Gundelfingen aufzugeben. Die Zerstörung der Burg scheint eine Selbstaufgabe des Scherzingers unter wachsendem Druck gewesen zu sein. Mit der Stiftung und der religiösen Ausrichtung wird das Scheitern der Herrschaftsbildung ein Stück weit kompensiert und in geordnete Bahnen gelenkt. Gerolds Schenkung war auch Teil einer übergeordneten Kompromisslösung, die außerdem seinem Seelenheil förderlich war. (Heiko Wagner)

Bauentwicklung:

Zur baulichen Entwicklung der bereits 1115 erwähnten Burg liegen keine gesicherten Nachrichten vor. Die Keramik datiert in das 11./12. Jh. (Jens Friedhoff)

Baubeschreibung:

Vom Ortsrand von Wittnau-Biezighofen folgt man zu Fuß einem Waldfahrweg bis hoch auf einen Bergrücken, dann auf dem Rücken nach Westen. Von dem in Ost-West-Richtung verlaufenden Bergrücken ist durch einen 5 m breiten Halsgraben ein Sporn abgetrennt. Er bildet den östlichen Rand einer insgesamt etwa 110 m langen und etwa 18 m breiten Burgfläche. Ein Felskopf aus Gneis mit geringen Mauerspuren könnte das Zentrum der Burg gebildet haben. Ein alter Zugang wäre in diesem Fall ganz im Westen zu vermuten. Die Maße dieser Kernburg werden in der älteren Literatur unterschiedlich angegeben und sind derzeit nicht zu verifizieren. Ein umgelagerter Block aus Mauerfüllwerk ist das auffälligste Relikt. 12 m westlich des zentralen Burghügels schneidet ein weiterer, 5 m breiter Graben den Bergrücken quer; nach Süden sind am Hang kleine Halden des Aushubs vorgelagert. Am selben Hang ist auch noch ein durch große Steinbrocken abgestütztes Hauspodium erhalten. 15 m westlich des genannten Grabens folgt ein weiterer, verflachter Graben. Das Plateau läuft nach Westen dreieckig zu; hier findet sich noch eine Ansammlung von Gneisbrocken, die wohl eine weitere Vorburg anzeigen. Am nach Süden abfallenden Hang zieht ein Wall entlang. Insgesamt ergibt sich so eine recht große Burganlage. Wenige Lesefunde datieren aus dem 11./12. Jh. (nachgedrehte Ware), aber auch grautonige Drehscheibenware des 13./14. Jhs. Die jüngeren Keramikfunde zeigen irgendeine Nachnutzung an, die nicht unbedingt eine Reaktivierung der Burg anzeigen muss. Eine Terrasse am Hang nach Norden zeigt nämlich Köhlerei an, außerdem sind am Hang nach Südosten ein oder zwei Bergbaupingen anzutreffen. In den zentralen Burghügel ist eine Art Stollen vorgetrieben; ob es sich um eine Unterminierung anlässlich der Zerstörung, um Steinraub oder um Schatzsuche handelt, ist unbekannt. (Heiko Wagner)

Arch-Untersuchung/Funde:

Mehrere Begehungen. Geringe Menge an nachgedrehter Keramik (11./12. Jh.). Wenige Fragmente der hart gebrannten Jüngeren grautonigen Drehscheibenware zeigen eine sporadische Nachnutzung (ca. 13./14. Jh.). Bergbau und vielleicht auch Spuren von Baumaterialgewinnung und Schatzgrabungen im Burggelände. (H.W.)