EBIDAT - Die Burgendatenbank

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Weißenstein bei Marburg

Geschichte:

Funde von Keramik aus dem Zeitraum von der frühen bis zur mittleren Latènezeit zeugen von der Nutzung (Besiedlung und Befestigung?) des Berges Weißer Stein in jener Epoche.
Die mittelalterliche Burg gehörte zu den kleineren frühmittelalterlichen, in die Salierzeit datierten Burgen des Marburger Umlandes (vgl. u.a. Burg Caldern über Lahntal-Caldern; Burg auf dem Rickelskopf bei Stedebach). Nach mehreren archäologischen Untersuchungen seit dem 19. Jh. (1884-85), zuletzt in der Folge notwendiger Sicherungs- und Restaurierungsarbeiten 1985 und 1987-88, entstanden erste Bauten anstelle der späteren Burg Weißenstein vielleicht schon im späten 8. Jh., spätestens aber im frühen 9. Jh. Zumindest ist von einer nicht genauer zu bestimmenden Besiedlung der kleinen Bergkuppe während der Karolingerzeit auszugehen.
Die besitzgeschichtlichen Untersuchungen ergaben, dass die Burg Weißenstein vermutlich zum Besitz der Gisonen, eines im mittleren Lahngebiet begüterten Grafengeschlechtes gehörte, das 1122 ausstarb. Wie auch die Burgen Caldern (Lahntal-Caldern), Hollende (Warzenbach), Lüneburg (Mellnau) und Marburg im Kreis Marburg-Biedenkopf stand die Burg Weißenstein direkt oder indirekt im Einflussbereich der Gisonen; es handelte sich sehr wahrscheinlich um eine Hochadelsburg der salischen Zeit. Nach den aktuellen Forschungen zur Burg Caldern und weiteren Burgen des Marburger Landes wurde die Burg Weißenstein von dem 1008 genannten Grafen Giso bald nach 1000 gegründet.
Ungeklärt ist das Ende der Burg. Hieß es noch bis in die jüngste Zeit unter Bezug auf die „Landeschronik“ des Wigand Gerstenberg (1457-1522) aus Frankenberg, die Burg sei 1248 im Auftrag von Sophie von Brabant bei ihrem Kampf um das hessische Erbe des thüringischen Landgrafenhauses zerstört worden, so belegten die archäologischen Funde, dass sie bis zum Ende des 11. Jh., allenfalls zu Beginn des 12. Jh. noch genutzt wurde. Es gab keine Funde aus späterer Zeit. Das Aussterben der Gisonen 1122 wäre das spätestmögliche Datum für die Aufgabe der Burg, sofern nicht die archäologisch nachgewiesene Zerstörung des Weißensteins durch einen Großbrand bereits ein früheres Ende nahelegt. Schon Gensen (1979) meinte, dass die Burg erst 1248 von Sophie von Brabant zerstört worden sein soll, ist vom archäologischen Fundmaterial her anzuzweifeln.
Die erste bekannte Nennung der Burg bezieht sich erst auf das Jahr 1247
Ca. 1 km oberhalb der Burg Weißensteins führte die Weinstraße, eine alte Fernverkehrsverbindung vom Rhein-Main-Gebiet nach Paderborn und weiter nach Bremen.
(Michael Losse)

Bauentwicklung:

1979 berichtete der Archäologe Rolf Gensen (1979), von Otto Uenze angelegte archäologische Probeschnitte hätten als ältesten Baukörper eine in Lehm gesetzte Mauer im Nordwesten ergeben, die von einem turmartigen Bau mit abgerundeten Ecken überschnitten wird. Darauf folgen weitere Überbauungen. Im Zuge neuerer Untersuchungen von 1994 wird von drei Bauphasen ausgegangen. Dem Gründungsbau des 8./9. Jh.) gehört ein kleines viereckiges steinernes (?) Gebäude von 6 x 6 m an, das durch Brand zerstört wurde. Auch Keramik aus jenem Zeitraum, der Karolingerzeit, wurde auf dem Weißenstein gefunden.
In der Phase II, die wohl ins 10. Jh. fiel, bestand die Burg aus einem von einer Wehrmauer mit abgerundeten Ecken umgebenen rechteckigen Wohnturm, der in Phase III (10./11. Jh.) zu einem fünfeckigen Bergfried ausgebaut wurde. Im ersten Bauzustand bestand der Wohnturm (Seitenlängen 12 x 8,6 m, Innenfläche 8,4 x 5 m) aus 1,8 m starkem Zweischalenmauerwerk mit Mörtelgusskern. Die Außenwände waren mit behauenen, geschichteten Sandsteinblöcken gestaltet.
In der Zeit der Umgestaltung des Turmes entstand am östlichen Hang des Burgberges ein zweiräumiges Wohngebäude, und die ältere, den Turm umgebende Ringmauer wurde abgerissen und durch eine alle Gebäude umfassende polygonale Ringmauer ersetzt. Vermutlich an der Ostseite erhob sich ein Torbau. Die Nord- und Westseite waren als potentielle Hauptangriffsseiten durch ein aufwendiges Wall-Graben-System geschützt, doch mag diese Befestigung im Kern auf eine ältere Wehranlage zurückgehen: Funde von Keramik aus dem Zeitraum von der frühen bis zur mittleren Latènezeit legen dies nahe.
(Michael Losse)

Baubeschreibung:

Die 0,1 ha große Burg Weißenstein liegt nördlich oberhalb von Marburg (Lahn)-Wehrda auf einem heute bewaldeten, zur Lahn hin steil abfallenden gelblich-weißen Sandsteinfelsen (260 m), der den Fluss an dessen Ostufer um etwa 70 m überragt. Lediglich von Nordwesten her ist der Burgberg einfach zugänglich.
Basierend auf den archäologischen Untersuchungen lassen sich für die Burg drei Bauphasen nachweisen.
In der Phase I (8./9. Jh.), während der Karolingerzeit, aus der Keramikfunde vom Weißenstein vorliegen, stand auf dem Berg u.a. ein kleines viereckiges Gebäude (6 x 6 m; Turm?), das durch Brand zerstört wurde und möglicherweise in den oberen Geschossen aus Fachwerk bestand. Die Reste des Gebäudes werden durch den nördlichen Strang der späteren Ringmauer überlagert. Datiert wird das Gebäude in das 9. bzw. 10. Jh.
In der Phase II bestand die Burg aus einem von einer Wehrmauer mit abgerundeten Ecken (2. Hälfte 10. Jh.) umgebenen rechteckigen Wohnturm an höchster Stelle innerhalb des Berings, d.h. sie war eine frühe „klassische“ Turmburg.
In Phase III (1. Hälfte 11. Jh.) soll der Wohnturm zu einem fünfeckigen Bergfried ausgebaut worden sein. Der Wohnturm bestand im ersten Bauzustand (Seitenlängen 12 x 8,6 m, Innenfläche 8,4 x 5 m) aus 1,8 m starkem Zweischalenmauerwerk mit Mörtelgusskern. Die Außenwände waren mit behauenen, geschichteten Buntsandsteinblöcken in hammerrechtem Kleinquadermauerwerk gestaltet. Hinter der östlichen Längsseite des Wohnturmes entstand ein 16 x 7,80 Wohnbau mit einer Mauerstärke von 0,80-1,00 m. Seine Südostseite ist Teil der gleichzeitigen, unregelmäßig-polygonalen Ringmauer.
Auf die Ähnlichkeit der Burg Weißenstein zur Burg Caldern (Lahntal-Caldern, Kreis Marburg-Biedenkopf) wurde verschiedentlich hingewiesen. Beide gehören zu jenem Typus kleinerer frühmittelalterlicher Adelsburgen in Hessen, die die frühe Form der hochmittelalterlichen Adelsburg vorprägten. In ihrer letzten Bauphase wurde die Burg Weißenstein dann neuen Vorstellungen vom Erscheinungsbild der Adelsburg angepasst: Sie zeigte nun die für das Hochmittelalter „klassische“ Kombination aus Wohnturm/Bergfried, Wohnbau, Torbau und Ringmauer.
Der Ringmauer war in einigen Bereichen eine äußere, teils gestaffelte Wallbefestigung vorgelegt.
(Michael Losse)

Arch-Untersuchung/Funde:

Erste Grabungen fanden in der Burgruine 1884-85 unter Ludwig Müller und Major von Löwenstein statt (s. Müller 1887). Archäologische Untersuchungen unternahmen Otto Uenze 1956/57 (s. Uenze 1957) und im Kontext der notwendigen Sicherungs- und Restaurierungsarbeiten 1985 (Nestler) und 1987/88 (Christa Meiborg). Die Burg wurde „nach der herkömmlichen hessischen Keramikdatierung ins 10./11. Jh. gesetzt“, doch äußerte Horst Wolfgang Böhme (³1992, S. 37) Zweifel an deren Eindeutigkeit. Das Ende der Burg wurde auf Basis der Keramikdatierung in die Zeit um 1100/Anfang 12. Jh. gesetzt. Teils neue Datierungsvorschläge legten Strickhausen/Strickhausen-Bode (2017) vor.
(Michael Losse)