EBIDAT - Die Burgendatenbank

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Gadebusch

Geschichte:

Den Mittelpunkt der Siedlung Gadebusch bildete die slawische Befestigung "Godebuz" an der Radgast, die von 1141 bis zum Ende des 12. Jahrhunderts mit dem Land Gadebusch zur Grafschaft Ratzeburg gehörte, die der Welfenherzog Heinrich der Löwe dem Grafen Heinrich von Badwide als Lehen übergeben hatte. Die Schriftquellen belegen 1181 die Zerstörung der Burg durch den Grafen Gunzelin von Schwerin, der diese militärische Aktion im Auftrag des Herzogs durchführte, um den abtrünningen Son des Grafen Balwide zu sanktionieren. Um diese Zeit hatte die Burg vermutlich eine deutsche Besatzung und in ihrer Nähe entstand eine deutsche Siedlung, die später den Kern der Stadt Gadebusch bildete. Nach dem Zerfall der Grafschaft Ratzeburg 1201 gelangte die Region um Gadebusch für zwei Jahrzehnte unter die Oberhoheit der Fürsten von Mecklenburg. 1225 verlieh Fürst Heinrich Borwin I. von Mecklenburg den Bewohnern der Siedlung Gadebusch das lübische Stadtrecht, so dass Gadebusch zu den ältesten Städten des Landes zählt. Die Pfarrkirche St. Jakobi wird bereits 1230 erwähnt. Fürst Heinrich "der Pilger" bestätigte 1271 die städtischen Privilegien in vollem Umfang und zwischen 1283 und 1299 diente Gadebusch seinem Bruder, Johann, dem Vormund von Heinrichs Söhnen, als Herrschaftsmittelpunkt. In der Nähe der Stadt fanden im Mai 1283 Kämpfe um die Vorherrschaft in der Region statt. Die Bedeutung der Burg zu Gadebusch als Herrschaftszentrum und frühe Residenz wird u. a. durch die dort am 1. April 1330 erfolgte Vermählung des Fürsten Albrecht mit der Herzogin Euphemia von Schweden unterstrichen. Nach dem Erwerb der Grafschaft Schwerin 1358 lösten Burg und Stadt Schwerin Gadebusch als Residenz ab. In der Folgezeit diente das verkehrsgünstig gelegene Gadebusch als Nebenresidenz und im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit gelegentlich als Witwensitz der Fürstinnen. Die wirtschaftlich prosperierende Stadt unterhalb der Burg bzw. des Schlosses verfügte bereits 1225 über das Münzrecht und umfangreiche Zollfreiheiten (bis 1786). Nach Schwerin und Parchim war Gadebusch im 15. Jahrhundert die wichtigste Stadt im Territorium der Herzöge von Mecklenburg. Im Kontext der Rückkehr Herzog Christophs, des Bruders der Herzöge Johann Albrecht und Ulrich aus Livland sowie der Übernahme des Hochstifts Ratzeburg sowie der Ämter Gadebusch und Tempzin 1569 entwickelte sich Gadebusch bis zum Tod Christophs 1592 erneut zu einer bedeutenden Residenz. Zu den umfangreichen Projekten des neuen Stadtherrn aus dem Hause Mecklenburg gehörte ab 1570 der Ausbau der Burg Gadebusch zu einem repräsentativen Renaissanceschloss. Bis 1611 blieb Gadebusch Residenz. Der Durchzug der Schweden 1644 sowie ein verheerender Stadtbrand 1659 zogen Zerstörungen un den temporären wirtschaftlichen Niedergang nach sich. In dem Zeitraum von 1734 bis 1768 gehörten Stadt und Amt Gadebusch zu den infolge der Reichsexekution an das Haus Hannover verpfändeten Ländereien in Mecklenburg. In der Frühen Neuzeit beherbergte das Schloss das landesherrliche Dominalamt und diente 1878/79 als Sitz des Amtsgerichts. Nach den Wirren des Zweiten Weltkrieges brachte man 1945 Flüchtlingskinder in den Gebäuden unter. Es folgte eine wechselvolle Mischnutzung als Internat, Museum, Kindergarten, Archiv und Verwaltungsgebäude. Nach dem Ende der Deutschen Demokratischen Republik schlugen 1991 verschiedene Versuche, die baulich zum Teil vernachlässigte Immobilie zu veräußern, fehl. 2002 erhielt der Verleger Herbert Graf von Freisleben-Liechtenstein den Zuschlag und 2012 übernahm der Verein "HoffnungsGut e.V." das nohc immer sanierungsbedürftige Baudenkmal, um dort Wohnungen für ältere und schutzbedürftige Menschen unterzubringen. Nach dem Scheitern dieses Projekts ersteigerte 2017 die Stadt Gadebusch das Schloss. Nach der 2020 eingeleiteten umfangreichen Sanierung soll das Schloss die Landesmusikakademie Mecklenburg-Vorpommern beherbergen. (Jens Friedhoff)

Bauentwicklung:

Ungeachtet der bereits Mitte des 19. Jahrhunderts erkannten architektur- und kunstgeschichtlichen Bedeutung ist die Baugeschichte des Renaissanceschlosses Gadebusch bzw. seiner mittelalterlichen Vorgängeranlagen bislang erst unzureichend untersucht worden. Umfangreiche Voruntersuchungen, die in den Jahren 1992 bis 1994 erfolgten, wurden 2016 in einem kurzen Überblick von Frank Braun veröffentlicht. Ältere baugeschichtliche Abhandlungen, die sich vornehmlich auf die Auswertung der archivalischen Überlieferung konzentrierten, liegen aus den Jahren 1845 und 1852 vor. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts (1903) erfolgte eine umfassende Restaurierung des Renaissancebaus. Archäologische Untersuchungen zum Gadebuscher Burgwall lagen bis 2016 nicht vor. Immerhin lassen Keramikfunde Rückschlüsse auf eine Besiedlung und Befestigungsanlage in slawischer Zeit schließen. Von dieser ersten Anlage zu unterschieden ist das in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts in den Schriftquellen erwähnte "castrum", das bereits zu dieser Zeit bzw. im 14. Jahrhundert eine Residenzfunktion innehatte. Eine zweite Blütezeit erlebte die mittelalterliche Burg Gadebusch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, verbunden mit einer grundlegenden baulichen Umgestaltung. Als Initiator des renaissancezeitlchen Neubaus ist Herzog Christoph von Mecklenburg, Bischof von Ratzeburg und Bruder des regierenden Herzogs Johann Albrecht von Mecklenburg anzusprechen. Für die Baumaßnahmen verpflichtete Herzog Christoph den Architekten Christoph Haubitz, der in den Jahren 1549 bis 1584 in den Diensten Herzog Albrechts stand und vor 1555 sowohl am Fürstenhof in Wismar wie auch am Schweriner Schloss tätig war. Die baulichen Aktivitäten zu Gadebusch lassen sich durch dendrochronologische Datierungen in den Zeitrum zwischen 1570/71 bzw. 1572/73 eingrenzen. Als Lieferant für die zahlreichen Platten, die zur Herstellung der prächtigen Terrakotta-Reliefs an der Hauptfassade des Schlosses vonnöten waren, wird die Werkstatt des Niederländers Statius von Düren in Lübeck vermutet, deren Existenz für die Zeit von 1570 jedoch nicht mehr sicher nachgewiesen werden kann. Sehr wahrscheinlich wurden in das Umbauprojekt ältere Bauteile miteinbezogen, da sich an der backsteinsichtigen Schmalseite Rese eines spätgotischen Staffelgiebels mit fünf Spitzbögen finden. Ein sich nach Osten anschließender Baukörper wurde im 18. Jahrhundert durch einen zweigeschossigen Fachwerkbau ersetzt. Das Innere des Schlosses erfuhr bedingt durch den häufigen Nutzungswandel tiefgreifende Veränderungen. So z.B. in den späten 1870er Jahren durch den Einzug des Amtsgerichts. Unklar ist bislang, wann die mittelalterlichen Bauteile des Schlosses, die sich in Inventaren des 16. und 17. Jahrhunderts nachweisen lassen, niedergelegt worden sind. Erwähnt werden ein altes und ein neues Haupthaus, eine Toranlage mit Zwingern, der mächtige runde Turm (Bergfried), der wohl est zu Beginn des 19. Jahrhunderts beseitigt worden ist. Darüber hinaus finden Wirtschafts- und Stallgebäude Erwähnung. Die noch erhaltenen Gebäude im Umfeld des Schlosses gehören unterschiedlichen Bauphasen des 18. bis 20. Jahrhunderts an. Im Zuge einer umfassenden Restaurierung wurden 1903 Teile der Fassade des Renaissanceschlosses verändert bzw. rekonstruiert. Die Maßnahmen erstreckten sich u. a. auf die Rekonstruktion des dreiteiligen Giebels über dem Treppenhaus sowie einem Teil der prächtigen Terrakottafliesen. Die ergänzten Fliesen wurden mit der Jahreszahl 1903 gekennzeichnet. Eime umfassende Sanierung des Gebäudes wurde 2020 eingeleitet. (Jens Friedhoff)

Baubeschreibung:

Über das bauliche Gefüge der mittelalterlichen Burg sind wir - aufgrund des weitgehenden Abbruchs der älteren Bausubstanz - im Wesentlichen durch einige wenig bislang ausgewertete Schriftquellen sowie eine Merian-Ansicht von Schloss und Stadt Gadebusch informiert. Bei dem renaissancezeitlichen Bau, der unter Verwendung älterer Bauteile, zu Beginn der 1570er Jahre entstand, handelt es sich um einen längsrechteckigen, dreigeschossigen Baukörper mit einem seitlich an der südlichen Traufwand gelegten und leicht vor die Fassade tretenden Treppenhaus. Den oberen Abschluss des Treppenhauses bildet ein dreiteiliger Giebel mit Halbkreisaufsätzen. Besondere Aufmerksamkeit verdient die aufwändige Fassadengestaltung des Backsteinbaus durch Terrakottareleifs. Die Fassade wird horizontal durch ein umlaufendes Fries gegliedert. Auf der Südseite befinden sich weitere Terrakotten zwischen den Geschossen und hier insbesondere an dem Treppenhaus. Die Terrakottadekoration erstreckt sich auf Pilaster, Fenster und Portalrahmungen und zeigt Portraits deutscher Fürsten, biblische Szenen, Engelsköpfchen oder bacchantische Szenen, die der antiken römischen Mythologie folgen. Besondere Aufmerksamkeit verdienen drei Felder über dem Portal mit szenischen Darstellungen zum Sündenfall, der Kreuzigung am Baum der Erkenntnis sowie zur Auferstehung Christi. Als Vorlagen dienten sehr wahrscheinlich Holzschnitte in der Lübecker Bibel des Erhard Altdorfer aus dem Jahr 1533. Die Datierung der linken Platte mit dem Jahr 1556 bezieht sich nicht auf das mehr als eineinhalb Jahrzehnte später anzusetzende Baugeschehen, sondern sie gibt mit dem Jahr 1556 das Herstellungsdatum der verwendeten Model für die Terrakottafliesen an.
Im Zusammenhang mit den zu Beginn der 1990er Jahren durchgeführten bauhistorischen Untersuchungen konnten erhebliche Teile der renaissancezeitlichen Innenstruktur des Baus nachgewiesen und erkundet werden. Den Baumaßnahmen der Jahren 1570 bis 1573 gehören u. a. das Treppenhaus mit Rippengewölbe und Stuckornamente, die Dachkonstruktion über dem Erdgeschoss, Teile der Decken über dem ersten und zweiten Obergeschoss sowie das Eichendachwerk, an. Die Raumstrukturen und die Ausstattung gehen jedoch zum großen Teil auf die Umbauten des 19. Jahrhunderts zurück, wobei insbesondere die Nutzung als Amtsgericht ab 1878/79 prägende Spuren hinterlassen hat. Wertvolle Informationen über Nutzung und Raumprogramm bieten Inventare aus den Jahren 1603 und 1611. Einschränkend ist jedoch anzumerken, dass die Zuordnung der dort genannten Räumlichkeiten nicht einfach ist und es noch einer eingehenden Analyse der Quellen bedarf, um die Aussagen der Schriftquellen mit dem Baubstand in Übereinstimmung zu bringen. (Jens Friedhoff)