EBIDAT - Die Burgendatenbank

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Kahlenbergerdorf

Geschichte:

Nach dem Dehio könnte das Dorf bereits im 11. Jh. gegründet worden sein. Gesicherte Hinweise auf eine hier sitzende Adelsfamilie sind jedoch erst ab dem frühen 12. Jh. vorhanden. Die Nennung des "Sarlo de Chalwenperge" bietet offenbar chronologischen Spielraum, denn sie wird einerseits zu 1110/20, nach anderer Meinung zu 1133/36 datiert. Die Mitglieder der Kahlenberger, die sich offensichtlich nach dem benachbarten "kahlen Berg" (heute Leopoldsberg) benannten, sind durch eine dichte Reihe urk. Nennungen belegt. Sie begegnen zumeist in Gesellschaft benachbart ansässiger Adelsfamilien, wie der Heiligenstädter, Nußdorfer, Rohrerwieser, Sieveringer oder Stammersdorfer als Zeugen oder Aussteller von Urkunden. Nach K. Lohrmann treten im NW Wiens, ausgehend vom Raum Klosterneuburg-Korneuburg, Adelsfamilien aus der Babenberger und Formbacher Klientel herrschaftsbildend auf, was er als kooperatives Vorgehen deutet und zu welchem Kreis auch die Kahlenberger zu zählen wären. Wie aus den zahlreichen Schenkungen entsprechender Güter an das Stift Klosterneuburg hervorgeht, kann Weinbau als überwiegender Wirtschaftsfaktor gesehen werden. Dass auch andere Adelige hier begütert sind, zeigt sich anhand der Tatsache, dass 1156/76 Albero und Hadmar v. Kuenring im Kahlenbergerdorf einen Hof besitzen, den sie tauschweise an Klosterneuburg abgeben. Rudolf v. "Callnperge" stattet 1170/80 eine bereits bestehende "ecclesia" mit Gütern aus. Als die älteren "Kahlenberger" A. d. 13. Jhs. aussterben, fällt die Hft. an die Babenberger, Hzg. Friedrich II. schenkt den Besitz dem Stift Klosterneuburg, das die Kirche mit pfarrlichen Rechten ausstattet. Ein erster Pfarrer ist 1256 nachweisbar. Jene bis A. d. 14. Jhs. belegten und mitunter mit dem Beinamen Neuzlo/Neuzl begegnenden "Kahlenberger" entstammen nach Twerdy einer Burggrafenfamilie und sind mit den "älteren" Kahlenbergern wohl nicht mehr verwandt. Die Annahme, die Burg sei nach 1246 Sitz der letzten Babenbergerin, der Hzgn. Gertrud gewesen, lässt sich damit nicht in Einklang bringen. In diesem Zusammenhang ist auch die Gründung der Burg auf dem heutigen Leopoldsberg (s. d.) nicht in das späte 13. Jh. zu setzen, sondern bereits in die 1. H. d. 13. Jhs., womit sie entsprechende Residenzfunktionen ausüben konnte. Die Aufgabe des Sitzes im Kahlenbergerdorf erfolgte wohl durch Funktionsverlust nach dem Erlöschen der "jüngeren" Kahlenberger während des 14. Jhs.
Die herrschaftlichen Strukturen dürften demnach im Spätmittelalter von den wirtschaftlichen des Stiftes Klosterneuburg abgelöst worden sein, dem während des 15. Jhs. auch die Pfarre vollständig inkorporiert wurde und das bis A. d. 19. Jhs. grundherrliche Rechte ausübte. Das Dorf, das 1482 als "oppidum", 1646 nur noch als "Dörfl" bezeichnet wird, nimmt 1529 und 1683, als die Türken die Stadt Wien belagern, Schaden.
(G.R.)

Bauentwicklung:

Der hochmittelalterliche Baubestand der Kirche und des angrenzenden Profanbaus sind mit hoher Wahrscheinlichkeit mit den "älteren" Kahlenbergern in Verbindung zu bringen. Explizite Baunachrichten bzw. Nennungen der Burg fehlen hingegen.

Baubeschreibung:

Der Standort der Kirche ist ein kleines, von einer Umfassungsmauer und mehreren Altbauten umgebenes Plateau, das im W, an der Bergseite, relativ bald vom ansteigenden Gelände überhöht wird. Nördl. liegt das ehem. Mesnerhaus, St. Georgsplatz Nr. 1, nordöstl. überbaut die ehem. Schule, Wigandgasse Nr. 39 die Umfassungsmauer. Das die Wigandgasse östl. der Kirche dominierende Haus Nr. 37 war ehem. Freihof des Stiftes Klosterneuburg, später Kelleramtsgebäude und bis 1819 Pfarrhof. Es dürfte wie die anderen Häuser mittelalterlichen Ursprungs sein und überbaut die östl. Abschnitte der Umfassungsmauer.
Der halbwegs geostete Bau besteht aus einem rechteckigen Langhaus, dem östlich fluchtend ein schlanker S-Turm beigestellt ist und das später mit einem geräumigen, rund geschlossenen Chor erweitert wurde. Eine im Chorwinkel angestellte Sakristei vervollständigt den nunmehr vereinheitlichend restaurierten Bau.
Unmittelbar westl. der Kirche ist in die Umfassungsmauer, die hier das ansteigende Gelände stützt, die O-Mauer eines hochmittelalterlichen Profanbaus eingebunden. Die mit dem Langhaus fluchtende Stellung bzw. Breite der Mauer lassen einen turmartigen Bau vermuten, der mglw. als Wohnturm mehrere Funktionen ausübte. Das Mauerwerk des Baues ist ein lagig ausgebildetes, hammerrechtes Bruchsteinmauerwerk aus mittelgroßen, würfeligen Sandsteinen. Die qualitätsvolle Eckausbildung besteht aus größeren, mehrere Lagen zusammenfassenden Kalksandsteinblöcken in Läufer-Binder-Technik. Das Mauerwerk bildet einen nur wenig über dem Begehungsniveau laufenden, etwa 10 cm breiten Fundamentsockel aus, der im Bereich der Eckquader schräg abläuft. Die oberen Zonen sind eine aus Misch- und Ziegelmauerwerk bestehende Fortsetzung der Umfassungsmauer. Die W-O-Ausdehnung und die Mauerstärke des Baues bleiben unbekannt und wären allenfalls nur durch eine Grabung zu ermitteln. Als Datierung ist das frühe 13. Jh., mglw. noch das ausgehende 12. Jh. anzunehmen.
K. Kafka sah die Kirche als barocke Umwandlung eines gotischen Baues, der aber auf eine romanische Anlage zurückgeht. Diese eher unscharfe Darstellung der Baugeschichte kann aufgrund einiger punktueller, aber wesentlicher Baubefunde konkretisiert werden. Durch Putzfreilegungen sind an der äußeren N- und W-Wand des Langhauses abschnittsweise die untersten Lagen des Mauerwerks sichtbar, ein streng lagiges Quadermauerwerk mit Fundamentsockel, das sehr homogen, ohne Formatdifferenzierungen verlegt ist. An der inneren W-Wand wurde eine mehrere Quadratmeter große Fläche freigelegt. Das an der Basis vorhandene Quadermauerwerk wird hier jedoch relativ rasch von einem lagigen, hammerrechten Bruchsteinmauerwerk aus überwiegend würfeligen Formaten abgelöst, das durch plattige Ausgleichslagen und opus spicatum-artige Einschübe strukturiert wird. An der S-Wand ist der Rest eines hochgelegenen, später zugesetzten Portals erhalten, dessen Gewände aus großen, geflächten Quadern besteht, während der Sturz von einem mächtigen Monolithen gebildet wird. Der ungewöhnlich breite Chorbogen sitzt auf 2 einfach profilierten, romanischen Kämpfern, deren Profile, vorbehaltlich einer gänzlichen Spoliierung, mglw. teilweise abgeschlagen wurden. Das Langhaus ist folglich als hochmittelalterlich einzustufen, der O-Abschluss in Form einer breiten, nur gering eingezogenen Apside bleibt Hypothese.
Der schmale Raum zwischen Kirche und Turm wird von einem schmalen, axial liegenden Bogen aus Quadermauerwerk überspannt, der sichtlich primär mit der Turmmauer entstanden ist, später jedoch mit Ziegelmauerwerk gesichert wurde. Die Situation weist auf einen Zugang zu einer hochmittelalterlichen Emporenanlage. Die massiven neuzeitlichen Veränderungen in den höheren Zonen des Langhauses hinterließen anstelle des Hocheinstiegs nur ein kleines Fenster. Die bemerkenswerte Befundsituation, die erstmals gesicherte Hinweise zur Sakraltopographie entsprechender Sitzkategorien liefert, ist zumindest für große Gebiete Österreichs singulär. Die von G. Buchinger vorgeschlagene Datierung in das frühe 13. Jh. trifft mglw. nur für Teile der Kirche zu, deren Kern verm. noch mit der um 1170 existenten Kirche, zunächst wohl eine Eigenkirche der Kahlenberger, zu identifizieren ist, und die vielleicht - etwa in Zusammenhang mit der (sekundären) Errichtung des Turmes (E. d. 12./ A. d. 13. Jhs.) - massive Eingriffe in den westl. Abschnitten erfuhr.
Eine weitere Bauphase wird durch den südl. angestellten Turm dokumentiert. Die unteren Abschnitte sind nach dem Mauerwerk, ein lagerhaftes, zum Teil blockiges Bruchsteinmauerwerk, wohl in die M. d. 13. Jhs. zu datieren, womit mglw. ein zeitlicher Bezug zur Pfarrgründung gegeben ist. Er umfasst ein urspr. wohl von außen zugängliches, später mit einer Ziegeltonne gewölbtes Untergeschoß, das aufgrund von Skelettfunden als „Karner“ vermutet wird. In der Barockzeit wurde der Turm durch ein Schallgeschoß erhöht, der heutige Zwiebelhelm wurde nach dem Brand von 1838 aufgesetzt.
Der Türkeneinfall von 1529 hinterließ an der Kirche wohl erhebliche Schäden, die nur schrittweise im Zug neuzeitlicher Baumaßnahmen ab der 2. H. d. 16. Jhs. behoben wurden. Die wesentlichen Umbauten, wie die Errichtung des Chors (für den aus einem Weihedatum von 1420 erschlossenen gotischen Chor fehlen entsprechende Befunde) und die Erhöhung des Turms, fanden während des 17. und 18. Jhs. statt, kleinere Ergänzungen und Erneuerungen bis E. d. 19. Jhs. Das frühbarocke, 1676 datierte N-Portal dokumentiert einen temporären Ausbaustand.
(G.R.)