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Schwanenburg bei Kleve

Geschichte:

Mit Graf Dietrich I. ist 1092 zum erstenmal ein Mitglied der Grafenfamilie urkundlich fassbar, das sich nach Kleve und damit wahrscheinlich nach einer dort befindlichen Stammburg nannte. 1145 ist ein Kastellan, d.h. ein Burggraf, belegt. Die Burg wird erst um 1184 in einem Siegburger Mirakelbuch direkt erwähnt. Die Klosterrather Annalen berichten, dass die Vorfahren der Grafen von Geldern und Kleve, die Brüder Gerhard und Rutger, aus Flandern fliehen mussten und sich in den Schutz des Kaisers begaben. Dieser siedelte die Brüder am Niederrhein ein. Rutger, der Stammvater der Klever Grafen, muss um 1020/50 nach Kleve gekommen sein, wo er vielleicht über eine Burg verfügte. Ansehen, Einfluss und Wohlstand der Klever Grafen scheinen im 12. Jh. am größten gewesen zu sein. Die höfische Kultur auf der Burg wird durch die Anwesenheit des berühmten Dichters Heinrich von Veldecke um 1174 fassbar. Er gab damals seinen noch unfertigen Eneas-Roman einer Klever Grafentochter zu "lesen und schouwen". In Kleve wurde ihm die Handschrift anlässlich der Hochzeit der Grafentochter mit dem Landgrafen Ludwig von Thüringen gestohlen. Wahrscheinlich um 1233 haben die Klever Grafen den Karfunkel in ihr Wappen aufgenommen, womit sie zugleich eine Abstammung vom legendären Schwanenritter Helias beanspruchten. Im 15. Jh. haben die Klever Herzöge diese sagenhafte Abstammung vom Schwanenritter aktiv gepflegt.
Im Schatten der Burg lag eine kleine Siedlung, in der die Bediensteten und Ministerialen des Grafen lebten. 1242 wurde westlich der Burg eine Stadt gegründet und mit Stadtrechten privilegiert. Der Burgflecken ist im 14. Jh. mit dieser Stadt zusammengewachsen.
Als 1368 das alte Grafengeschlecht ausstarb, gelangte ihr Erbe an die Grafen von der Mark. 1417 wurde die Grafschaft Kleve zum Herzogtum erhoben. Das 15. Jh. war geprägt von engen verwandtschaftlichen und politischen Beziehungen zum Herzogtum Burgund. Den Höhepunkt ihrer Macht erreichten die Klever Herzöge zu Beginn des 16. Jh.s. Zu ihrem Territorium gehörten damals die Herzogtümer Jülich und Berg sowie die Grafschaften Mark und Ravensberg. In einer kurzen Episode (1538-1543) gehörte ihnen auch das Herzogtum Geldern, das letztendlich aber an Habsburg abgetreten werden musste. In der 2. Hälfte des 16. Jh.s weilte der Hof nun öfters in Düsseldorf, Jülich und Hambach. Kleve blieb zwar Residenz, wurde aber nur noch gelegentlich aufgesucht. 1609 starb das Klever Herzoghaus aus. Das reiche Erbe musste zwischen Brandenburg und Pfalz-Neuburg geteilt werden. Die Brandenburger erhielten das Herzogtum Kleve sowie die Grafschaften Mark und Ravensberg. Unter ihrem Statthalter, Johann Moritz von Nassau-Siegen, erlebten Burg und Stadt Kleve eine letzte Blüte, die mit dem Tod des Johann Moritz 1679 schlagartig endete.
Mangelnde Bauunterhaltung und Verfall führten ab der 2. Hälfte des 18. Jh. zu umfangreichen Abbrüchen der Burganlage. So verschwanden, neben Kanzleibauten des 16. Jh.s, 1771 der staufische Palas und 1784 der Johannisturm. Fortan diente die Burg nur noch Verwaltungs- und Justizzwecken, bis 1917 war hier ein Gefängnis untergebracht. 1907 bis 1909 wurde die Burg archäologisch untersucht. Es folgten erste denkmalpflegerische Maßnahmen. Bei einem Luftangriff auf die Stadt Kleve am 7. Oktober 1944 wurde die Burg schwer beschädigt. Der Wiederaufbau war im wesentlichen bis 1953 abgeschlossen. Die von der Klever Bürgerschaft getragene "Bauhütte Schwanenburg" machte sich um den Wiederaufbau des Spiegel- und Schwanenturmes verdient. 1986 wurde der Verein "Freunde der Schwanenburg" gegründet. Ihm ist u.a. die Restaurierung eines gotischen Gewölberaumes im Spiegelturm mit einer staufischen Toilettenanlage (1988) sowie neue Wetterfahnen auf diesem Turm (2000) zu verdanken. In der Burg ist heute das Amts- und Landgericht untergebracht. Im Schwanenturm befindet sich eine sehenswerte geologische Sammlung. Der Spiegelturm kann über zuvor vereinbarte Burgführungen besichtigt werden. (J. Wroblewski)

Bauentwicklung:

Die Bauentwicklung der Schwanenburg ist einerseits durch Ausgrabungen und Bauforschung, andererseits durch Baubeobachtungen während des Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg geklärt. Den größten Erkenntniszuwachs erbrachten die Untersuchungen 1999-2002:
Die ältesten Bauspuren fanden sich im Innenhof der Burg, direkt unterhalb des heutigen Schwanenturms. Hier wurden die ca. 2,5 m mächtigen Mauern eines Wohnturmes aus Tuffstein entdeckt. Sie stammen von einem 1439 eingestürzten Vorgängerturm des Schwanenturms. Dieser Donjon, der viel breiter war als der jetzige Schwanenturm, ist um 1100 entstanden. Spätestens um 1150 wurde dieser Wohnturm mit einer vieleckigen Ringmauer umgeben. Sie ist in Resten auf der Ostseite und im Quertrakt der Burg erhalten geblieben. An der Ostseite dieser Ringmauer, mit Blick auf die weite Rheinebene, stand ein etwa 12,5 x 8,5 m großes Wohngebäude. Südlich davon lag höchstwahrscheinlich die Burgkapelle mit halbrunder Apsis.
Im letzten Drittel des 12. Jh.s wurde diese kleinräumige Turmburg nach Süden hin zu einer zweiteiligen Anlage ausgebaut. Auf der Ostseite entstand ein ca. 12 x 57 m großer Saalbau, der Palas. In seinem Inneren befand sich in einem großen Saal (sog. Rittersaal) ein aufwendig gestaltetes, gestuftes Portal mit Säulen, Kapitellen und reich verzierten Rundbogenläufen. Reste davon wurden nach dem Abbruch des Palas 1771 im Innenhof der Burg als Türeinfassungen zweitverwendet. Die offene Westflanke der Burgerweiterung schloss man mit einer Ringmauer aus Tuff- und Basalt. Am südlichen Ende lag das Burgtor, das von einem fünfeckigen Turm, dem Johannisturm, gesichert wurde. Dort, wo heute der Spiegelturm steht, stand ein weiterer Turm. In seinem Inneren verfügte er über eine komfortable Abortanlage mit Sitznischen, Wasserspülung und Entlüftungsschacht. Die Burg des 12./13. Jh.s zählte sicherlich zu den größten und architektonisch qualitätsvollsten Profanbauten der Romanik am Niederrhein.
Im 14./15. Jh. wurde die staufische Burg, nun unter der Verwendung von Backstein, um- und ausgebaut. Unter Herzog Adolf (1394-1448) entstanden der 28 m hohe Spiegelturm (kurz vor 1429) sowie, als eine Art Pendant dazu, auf der Ostseite ein turmartiger Ausbau, der seit dem 20. Jh. irrigerweise als Zimelienturm bezeichnet wird. Am 7. Oktober 1439 stürzte der große Wohnturm des 12. Jh. ein. Herzog Adolf ließ den Platz sogleich abräumen und mit dem Bau des 54 m hohen Schwanenturms beginnen. Dieser wurde noch vor 1448 fertiggestellt. Eine zeitgenössische Inschrifttafel über dem Turmeingang berichtet von diesem Ereignis. Die Spitze des Turmes bekrönte man mit einer Wetterfahne in Form eines Schwans. Der Schwanenturm, der den flämischen Belfrieden in Brügge und Gent nahe steht, sollte Anspruch und Geltungsbedürfnis der 1417 in der Herzogsstand erhobenen Herrscherdynastie zum Ausdruck bringen.
Ebenfalls im 15. Jh. erbaute man im äußeren Burghof um den romanischen Burgbrunnen herum ein Brunnengebäude mit Tretrad zwecks beschleunigter Wasserförderung.
Im 16. Jh. wurde die Burg durch die herzogliche Baumeisterfamilie Pasqualini modernisiert und erweitert. Größere Neubauten entstanden erst weiter südlich der Burg: Vor dem alten Burgtor wurde 1560 auf einem 1470/71 erbauten gotischen Vortor das Herzog-Wilhelm-Tor errichtet. 1569/70 fügte man an den Johannisturm eine schöne Renaissance-Galerie an. Ältere Kanzleigebäude südlich der Galerie wurden erweitert bzw. umgebaut.
Die Bauarbeiten 1663-1666 unter der Leitung des niederländischen Architekten Pieter Post verwandelten das Äußere der Burg zu einem schlichten aber eindrucksvollen Barockschloss. Bis auf die Türme verloren sämtliche Gebäude ihr gotisches Gepräge. So erhielt die Ostseite erkerartige Ausbauten und alle Fassaden eine streng symmetrische Fenstereinteilung. In den Burghöfen entstanden offene Arkadengänge.
Die bis heute vom Barock geprägte Burganlage mit ihren beiden gotischen Türmen erhielt erst in der Romantik, im 19. Jh., ihren Namen Schwanenburg. Auf dem Platz vor der Burg steht der Marstall von 1467 sowie das Reiterdenkmal des Großen Kurfürsten von 1909.
In der gotischen Stiftskirche befinden sich die Grabdenkmäler der Klever Grafen und Herzöge. (J. Wroblewski)

Baubeschreibung:

Die Schwanenburg erhebt sich auf einem in die Rheinniederung nach Osten vorgeschobenen Sporn der eiszeitlichen Endmoräne. Der Grundriss gleicht einem spiegelverkehrten D, wobei die Langseite nach Osten weist. Über eine Quermauer ist sie in Haupt- und Vorburg (bzw. Innen-/Außenhof) unterteilt. Der Zugang erfolgt - damals wie heute - von Süden her. Gegen den angrenzenden Kirchberg mit Burgflecken war der Burgberg durch einen Halsgraben separiert.
Der heutige Baubestand ist bis auf die beiden verbliebenen gotischen Türme (Schwanenturm, Spiegelturm) von der barocken Überformung Mitte des 17. Jh. geprägt. Entlang der gelbverputzten Ostfassade lockern vortretende Erkerausbauten die schlichte Erscheinung auf. Innen- und Außenhof werden von umlaufenden Arkadengängen geprägt. In der Südhälfte wirkt die Schwanenburg von der Rheinebene aus gesehen (Osten) heute teils offen. Der nun mit Bäumen bestandene Platz war mit dem langgestreckten staufischen Palas und dem Torturm (sog. Johannisturm) besetzt. Beide Baukörper wurden im letzten Drittel des 18. Jh. niedergelegt, ebenso der sog. Ost- bzw. Zimelienturm an der Ostfassade. Der Spiegelturm (vor 1429) aus Backstein benutzt als Unterbau die Tuff-/Basaltmauerwerkreste eines romanischen Vorgängers. Kreuzstockfenster sorgen für die Belichtung. Den Abschluss bildet ein Zinnen bekrönter Wehrgang auf einem Spitzbogenfries. Der Turm ist mit einem Walmdach gedeckt und im 19. Jh. um ein Treppenhaus erweitert worden, das sich dem mittelalterlichen Erscheinungsbild anpasst. Der Schwanenturm, am Nordrand des Innenhofes gelegen, wurde unter Verwendung der Tuffquader des Vorgängerturmes (Außenverblendung) und Backstein errichtet. Im oberen Turmviertel ein verjüngter Aufriss ab einer mit Spitzbogenfries akzentuierten Wehrgangebene. Den Abschluss bilden vier Eckwarten sowie der Turmhelm.
1330 wird eine Kapelle erwähnt (capella sancti Nicolai).
Das Innere der weit in die Landschaft wirkenden Burganlage ist durch die Nutzung (Amts- und Landgericht) bedingt modernen Ursprungs (Wiederaufbau nach 1945). Historische Raumdispositionen haben sich nur im Schwanen- und Spiegelturm erhalten. Im letzteren u.a. der ehem. Archivraum. Weiter vom Vorgängerturm die staufische WC Anlage mit Wasserspülung und Abluftschacht.
Im Innenhof sind unter dem Arkadengang die Reste der sog. staufischen Prachtpforte (ehem. Stufenportal) sekundär als Türrahmungen vermauert worden (19. Jh.). Erhalten haben sich Säulen, Basen, Kapitelle sowie figural und floral ausgearbeitete Rundbögen mit Resten von Farbfassungen (Baumberger Sandstein). Über dem Eingang zum Schwanenturm die bauzeitliche Inschriftentafel (1440) zum Einsturz des Vorgängerturmes und den Neubau durch Herzog Adolf von Kleve (1397-1448). (J. Wroblewski)

Arch-Untersuchung/Funde:

1907/09: Freilegung von Mauerresten (u.a. Palas, Ringmauer) Fundmaterial verloren.
1934-36: allgem. Befundbeobachtungen anlässlich von Umbauten. Fundmaterial verloren.
1951: Ausgrabung im Kellergeschoss des Schwanenturms.Keramik und Architekturteil teilweise verloren.
1996: Ausgrabung im Außenhof (hinter Arkadengang).
1999-2002: Umfassende Ausgrabungen im Innen- und Außenhof. Bauforschung während Fassadensanierung. Umfangreiches Keramikfundgut (11.-19. Jh.). (J.W.)