EBIDAT - Die Burgendatenbank

Eine Initiative der Deutschen Burgenvereinigung Menu

Neuhaus bei Paderborn

Geschichte:

Die Keimzelle des Paderborner Stadtteils Schloss Neuhaus bildete vermutlich der 1036 erstmals erwähnte Haupthof der Bischöfe ("Nyenhus"), der am Zusammenfluss von Pader, Lippe und Alme zu lokalisieren ist. Vermutlich wurde bereits unter Bischof Meinwerk in Neuhaus eine Eigenkirche errichtet. Mitte des 13. Jahrhunderts entstand in Neuhaus eine Landesburg der Bischöfe. Initiiert wurde der Bau in den späten 1250er Jahren von Bischof Simon I. zur Lippe (1247-1277). Auslöser für den Bau der Burg, der bereits im Spätmittelalter zu den bevorzugten Aufenthaltsorten der Bischöfe gehörte, waren zunehmende Spannungen des kirchlichen Stadt- und Landesherrn mit der Bürgerschaft der aufstrebenden Stadt Paderborn. Die vermutlich aus einem Wohnturm hervorgegangene Wasserburg blieb bis 1802 Residenz der Bischöfe und wurde insbesondere im 16. Jahrhundert zu einem der bedeutendsten Schlösser Ostwestfalens um- und ausgebaut. Die im Vorfeld des Schlosses gelegene Siedlung Neuhaus erhielt Stadtrechte und verdankt ihre wirtschaftliche Entwicklung vornehmlich dem Residenzschloss. Unter Bischof Heinrich von Spiegel (1361-1380) wurde die bischöfliche Burg zu Neuhaus von der Paderborner Bürgerschaft beschädigt und es erfolgte ein Neubau des sog. "Hohen Hauses". Die recht komplexe bauliche Entwicklung von der Burg zum Schloss wurde 1597 unter Bischof Dietrich IV. von Fürstenberg weitgehend abgeschlossen. Kleinere bauliche Veränderungen erfolgten im zweiten Viertel des 18. Jahrhundert während des Pontifikats des Fürstbischofs Clemens August von Wittelsbach, der in Personalunion die Bischofsstühle von Osnabrück, Hildesheim, Münster und Paderborn sowie den Erzbischofsstuhl von Köln innehatte. Nach der Säkularisation 1802 gelangte das Schloss als landesherrliche Anlage des ehemaligen Hochstifts Paderborn an Preußen. 1820 bis 1945 wurden die Gebäude u. a. von den Angehörigen der Garnison genutzt. Nach einem Intermezzo unter der britischen Militärverwaltung nach dem Zweiten Weltkrieg konnte 1964 die Gemeinde Schloss Neuhaus die ehemalige Residenz erwerben und richtete im Schloss eine Realschule ein. Die weitläufigen Negengebäude - u. a. Marstall - wurden 1993/94 einer neuen Nutzung als Museum zugeführt. Das Hauptparterre des 1753 angelegten barocken Gartens konnte 1994 rekonstruiert werden. (Gabriele Rustemeyer)

Bauentwicklung:

Schloss Neuhaus, die ehemalige Residenz der Bischöfe von Paderborn blickt auf eine komplexe bauliche Entwicklung zurück, die sich anhand der zur Verfügung stehenden Schrift- und Bildquellen bis in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts zurückverfolgen lässt. Wie die erste, Mitte des 13. Jahrhunderts von Bischof Simon I. zur Lippe gegründete Burg ausgesehen hat, ist unklar. Der Burgbau war wohl um 1257 weitgehend abgeschlossen. Im 14. Jh. wurde Schloss Neuhaus, das den Bischöfen als bevorzugter Aufenthaltsort diente, mehrfach von den Paderborner Bürgern zerstört. Bischof Heinrich von Spiegel (1361-1380) ließ um 1370 einen monumentalen dreigeschossigen gotischen Wohnturm errichten, der später in die renaissancezeitliche Vierflügelanlage integriert wurde und deutlich auf den historischen Ansichten des 15.-18. Jh. erkennbar ist. Der sog. "Spiegel-Bau" wird auch als "Hohes Haus" bezeichnet und überragte die übrigen Gebäudeflügel erheblich. Bei einem Umbau wurde das Obergeschoss des Baukörpers 1881/82 schließlich abgetragen und der spätmittelalterliche Wohnturm schließlich unter ein Dach mit der übrigen Anlage gebracht. Initiator des eigentlichen Umbaus der Anlage zu einem frühneuzeitlichen Schloss war Bischof Erich von Braunschweig-Grubenhagen (1507-1532), der den schwäbischen Baumeister Jörg Unkair 1524-26 mit dem Bau eines Gebäudes beauftragte ("Haus Braunschweig"). Auf dem Paderborner Bischofsthron folgte Hermann II., Erbischof von Köln, der die bauliche Lücke zwischen dem "Haus Spiegel" und dem "Haus Braunschweig" schließen ließ. Die Anlage erhielt einen L-förmigen Grundriss. Der Domherr Rembert von Kerssenbrock, der 1547 zum Bischof gewählt wurde, ließ die Anlage um einen sich rechtwinklig anschließenden Gebäudeflügel mit Treppenturm und zwei Standerkern erweitern. In den "Neubauten" fanden u. a. Küchen -und Speiseräume Platz. Bischof Dietrich von Fürstenberg, der auch andernorts (u.a. Wewelsburg) als Bauherr hervortrat, ließ ab 1585 Schloss Neuhaus weiter ausbauen. Die Ausführung oblag dem Baumeister H. Hentze. Neuhaus wurde zu einer Vierflügelanlage umgestaltet. An den Ecken entstanden die mächtigen runden Pavillontürme. Die Fassaden erhielten z.T. ihren reichen bauplastischen Schmuck. Bis 1597 kamen die Arbeiten zu einem Abschluss. Weniger umfangreiche bauliche Aktivitäten entfaltete der Kölner Kurfürst und Paderborner Fürstbischof Clemens August von Wittelsbach (gest. 1761). In seinem Auftrag schuf der Paderborner Baumeister Franz Christoph Nagel (1699-1764) 1729 den Marstall sowie 1733 die vor dem Hauptgebäude errichtete Schlosswache. 1729 ließ der Clemens August von Wittelsbach den Garten anlagen, der u. a. durch den Wiener Gartenarchitekt Hatzel 1753 umgestaltet wurde. Das Hauptparterre des 1803 zum Exerzierplatz umgenutzten Gartens wurde 1994 auf der Grundlage alter Pläne rekonstruiert. (Gabriele Rustemeyer)

Baubeschreibung:

Das inmitten des Ortskern von Schloss Neuhaus gelegene Renaissanceschloss gehört zu den Hauptwerken der Weserrenaissance in Ostwestfalen. Aus einem spätmittelalterlichen Wohnturm der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts entstand in mehreren Bauphasen von 1525 bis 1597 eine beeindruckende vierflügelige Schlossanlage, umgeben von breiten Wassergräben. Die Ecken des Schlosses werden durch mächtige runde Türme mit geschweiften Hauben mit Laternen betont. Zu der bewegten Fassadengestaltung des Gebäudes tragen Zwerchhäuser mit Staffelgiebeln, Halbkreisaufsätzen und Kugeln bei, die dem Formenapparat der Frührenaissance zuzuordnen sind. Ein polygonaler Treppenturm im Innenhof weist die Jahreszahl 1526 und Meisterzeichen des Baumeisters Unkair auf. Weitere Steinmetzzeichen der Werkstatt Unkairs finden sich an der Fassade des sog. "Kerssenbrockhauses". Die unter Ferdinand von Fürstenberg ab 1585 geschaffenen Gebäude verraten deutlich den Einfluss der späten Weserrenaissance mit niederländisch-manieristisch geprägter Fassadengestaltung. Die Dachflächen werden durch Zwerchhäuser mit Schweifgiebel, Roll- und Beschlagwerk, Pilaster, Hermen sowie Obelisken belebt. Besondere Aufmerksamkeit verdienen die reich geschmückten, säulenflankierten Treppenturmportale mit Inschriftkartuschen.
Im Inneren des Schlosses blieb nur wenig von der ursprünglichen Ausstattung erhalten. Das Erdgeschoss des sog. "Braunschweigischen Hauses" bietet Platz für eine zweischiffige Halle mit Gratgewölbe auf Rundpfeilern. Im Obergeschoss befinden sich an den Wänden Fragmente von Jagdszene. Ferner haben sich Reste der Stuckdeckoration des 18. Jh. erhalten. Der südöstliche Turm nimmt das sogenannte Marschallstafelzimmer auf.
Vor dem Hauptzugang zum Schloss liegt die 1733 errichtete Schlosswache, ein verputzter, ursprünglich quadratischer Bau mit abgerundeten Ecken und Mansardwalmdach. Im 19. Jh. wurde das Gebäude nach Osten erweitert. Über den drei rundbogigen Pfeilerarkaden befindet sich im Giebel das Wappen des Fürstbischofs Clemens August von Wittelsbach.
Seitlich des Schlosses liegt der heute als Museum dienende Marstall, dessen hufeisenförmige Anlage sich zum Garten hin öffnet. 1803 mehrfach umgestaltet entstand der Baukörper 1729-32 nach Plänen des Architekten Nagel. Der barocke Garten wurde ab 1729 angelegt und 1803 zu einem Exerzierplatz umgestaltet und teilweise zerstört. 1994 erfolgte die Rekonstruktion des Hauptparterres nach historischen Plänen. (Gabriele Rustemeyer)