EBIDAT - Die Burgendatenbank

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Geldern

Geschichte:

Seit dem Mittelalter wird eine Gründungssage von Stadt und Burg Geldern tradiert. Demnach erschlugen die Brüder Wichard und Lupold im Jahr 879 auf Bitten ihres Vaters, dem Herrn von Pont, ein Untier (Drachen), welches auf einem Feld in der Herrschaft sein Unwesen trieb und viel Schaden anrichtete. Das Ungetüm mit feurigen Augen brüllte "Gelre, Gelre, Gelre", weshalb der Ort seines Endes fortan Geldern genannt wurde. Die vom Untier befreiten Menschen begaben sich in den Schutz der Brüder und ihres Vaters und auf dem Untierfeld wurde die Stadt Geldern gegründet, deren Namen auch auf das Gelderland überging.
Die Burg Geldern erscheint erst 1237 als "castrum" in den Urkunden, doch spricht vieles dafür, eine Entstehung im 12. Jh. anzunehmen, als die Grafen von Geldern in der 1. H. des 12. Jh. ihren Herrschaftsschwerpunkt von Wassenberg (durch Heirat an das Haus Limburg) im Süden nach Norden verlegten, an einen wichtigen Niersübergang. Die Burg wurde in der sumpfigen Niersniederung auf Eigengut errichtet, im späteren Gerichtsbezirk Pont, der in Grenzlage zu einem Vogteibezirk des Erzbischofs von Köln, auf dem rechten Niersufer lag. Dieser Vogteibezirk konnte im 13. Jh. von den Grafen in ihre Landesherrschaft integriert werden. Zur Burg gehörte eine Siedlung, die im 13. Jh. auf das rechte Niersufer verlegt und mit städtischen Privilegien ausgestattet wurde. Zur Unterscheidung wurde die Vorgängersiedlung ab 1376 "alde stat" genannt.
Die für das Geschlecht und Land namensgebende Burg lag am Rande des territorialen Streubesitzes der Grafen. Geldern bleibt bis 1247 die einzig nachweisbare Landesburg der Dynastie. Als dauerhafte Residenz hat die Burg nie fungiert. Die Grafen, ab 1339 Herzöge von Geldern, pflegten im Mittelalter eine ausgeprägte Reiseherrschaft zwischen ihren Burgen. Eine hervorgehobene Stellung nahm dabei die Burg Rosendael bei Arnheim ein. Über Rechnungslegungen ist die Anwesenheit der Herrscher in Geldern rekonstruierbar. In den Jahren 1387/88 weilte der Herzog mindestens 18 mal auf der Burg. Weiter sind längere Aufenthalte des Herrscherpaares 1386 und 1394 belegt. Mit Beginn des 15. Jh. verlor die Burg an territorialpolitischer Bedeutung. Wie die Burg Monreberg in der Grafschaft bzw. dem Herzogtum Kleve erfüllte die Burg Geldern im Mittelalter auch die Funktion als Ausstattungsobjekt für Familienangehörige. So war die Burg 1282 als Brautgeschenk für die neue Gemahlin des Grafen verplant, wozu auch Stadt und Land Geldern gehörten. 1423 war es Katharina von Kleve, Braut des Herzogs Arnold von Geldern, die Burg, Stadt und Land zum lebenslänglichen Nießbrauch erhielt. Sogar die verwaltenden Amtleute hatten ihr zu huldigen. 1479 bezog die gleichnamige, ledige Tochter der Katharina von Kleve die Burg bis zu ihrem Tod 1497. Als Herzog Karl 1538 verstarb, diente die Burg Elisabeth von Braunschweig-Lüneburg als Witwensitz.
Wie bei Landesburgen üblich, oblag bei Abwesenheit des Herrschers die Sicherung und Verwaltung dem eingesetzten Amtmann. Im Falle der Burg und des Amtes Geldern waren dies führende Mítglieder des geldrischen Adels. Amtleute sind seit 1357 kontinuierlich in den Urkunden nachweisbar. Zur Burg gehörte selbstverständlich eine Besatzung, die zivile und militärische Aufgaben übernahm. Die Personalstärke betrug 1350 sieben, 1389 27 und 1497 26 Menschen. Diese Zahlen sind nicht zu verallgemeinern, da sicherlich auch Familienangehörige als Burgbewohner gezählt werden müssen. Eine Angabe von "um 58 Personen" für das Jahr 1487 ist der Wirklichkeit näher, als die vorangegangen Zahlen.
Neben dem Amtmann und dem Schlüter bzw. landesherrlichen Rentmeister (zuständig für die Abgaben im Amtsbezirk) sind neben Wachpersonal (Torhüter, Wächter, Reisige) in den Urkunden Küchenpersonal, Fische, Jäger, Müller und Wagenknechte überliefert. Die Besonderheit als Stamm- und Landesburg wird in Funktionen wie dem Falkner (1387), sowie dem Narr und zwei Boten (1487) deutlich. Kanzleifunktionen übernahm das nicht unweit der Burg in der Stadt gelegene Karmeliterkloster, deren Mitglieder auch für die Messen in der Burgkapelle (1315) herangezogen wurden.
Ein konstant höfisches Leben entwickelte sich auf der Burg mit dem Einzug der genannten Herzogwitwe Elisabeth von Braunschweig-Lüneburg mit erweitertem Personalstand. "Um 1560 gehörten zum Burgpersonal jeweils ein Drost, Rentmeister, Burggraf, Marschall, Vogt, Pastor, Prediger, Sekretär, Vorsprecher und Arzt, weiterhin Mühlenmeister, Küchenmeister, Mundkoch, Unterkoch, ein weiterer Küchenmeister, ein Fleischermeister, Kämmerlinge, jeweils ein Saalknecht, Feuermeister, Zimmermann, Fischer, Schlachter, Bäcker, Brauer, Goldschmied, Müller, Wildschütz, Jäger, Forsthüter, Fuhrmann, Rosshüter, Schäfer, Hüter der Schwäne, reitender Bote, laufender Bote, Schreiber des Drosten, Stallknecht des Drosten, mehrere Knechte des Rentmeisters, zwei Pförtner, drei Wächter, der Richter (Schultheiß) der Stadt und ein Steuereinnehmer; hinzu kamen eine Hofmeisterin, vier Hofdamen, drei Kammermägde und zwei Waschmägde." (Frankewitz 2011). Das Ableben der Herzogin 1572 war auch das Ende der Residenzfunktion der Burg Geldern. Noch einmal beherbergte sie von 1578 bis 1580 den Gouverneur des Oberquartiers Geldern, den Freiherr Johann Philipp von Hohensax, der es nachher vorzog, innerstädtisch im Karmeliterkloster zu wohnen. Mit fehlender Aufgabe setzte der Verfall der Burg ein. Ein runder Tuffsteinturm (Bergfried?) wurde 1604 auf Abbruch verkauft. Der Ausbau der Stadt Geldern zur modernen Festung bedeutete das Ende der einst so bedeutenden Wasserburg. 1637 wurden große Teile niedergelegt. Ruinen blieben aber in den Folgejahren noch stehen, wie eine Ruinenansicht von 1671 belegt, sowie eine Nachricht von 1663 über verkaufte Tuffsteine aus der abgebrochenen Burg. (Jens Wroblewski)

Bauentwicklung:

Schriftquellen, die bekannten Ansichten und Pläne sowie die punktuellen Ausgrabungen im 20. Jh. erlauben keine sicher rekonstruierbare Bauentwicklung. Eine Gründung noch im 12. Jh. erscheint wahrscheinlich, gesichert ist eine Existenz der Burg ab 1237, das Ende ist mit dem Abbruch 1637 markiert.
Über die Archivalien sind einzelne Bauteile der zweiteiligen Anlage überliefert. Beide Elemente, Vor- und Hauptburg, waren mit einer im Verlauf teilweise unregelmäßigen Ringmauer umgeben. In einer Rechnung für 1348/49 sind drei Tore erwähnt. Ein 1394 erwähnter Weinanbau "anden bergh ompt hues" lassen auf eine künstliche Erhebung schließen. Ob dies auf eine Motte hinweist, erscheint momentan unwahrscheinlich, zumindest haben die jüngeren archäologischen Dokumentationen keine Anhaltspunkte dafür geliefert. Für 1294/95 sind ein großes Haus, das neben dem kleinen Turm steht, genannt. Dieser Turm war im Grundriss rund und bestand wie die Burgkapelle aus Tuffstein. In der Vorburg stand ein viereckiger Turm. In der Mitte des 14. Jh. sind neben Wohngebäuden weitere Wirtschaftsbauten erwähnt: "Falkenhaus, Fleischhaus, Holzhaus, Brauhaus, Wasserhaus, einen Stall für Federvieh, eine Rüstkammer, einen Küchenbau, eine Schneiderei, eine Kellerei und natürlich ein Gefängnis, das in einem "Gefangenenturm" ("gevangen torn") untergebracht war." (Frankewitz 2011, S.442). Weiter gab es verschiedene Ställe für Schlachtvieh.
"Nur wenige Gebäude bzw. Zimmer weisen auf eine regelmäßig besuchte Resídenz hin. Das Falkenhaus gehört ebenso dazu, wie die 1348 genannte "camera magister curiae" und eine Kammer des Rentmeisters. Der Herzog selbst wohnte in der "myns heren kamer", die 1413 als beheizbare caemer bezeugt ist. Von besonderer Bedeutung für die Residenz wird die Kapelle in der Hauptburg gewesen sein, in der der Sohn des Grafen 1321 auf dem Altar eine jährliche Seelenmesse stiftete und in der am 6. März 1383 ein neuer Altar geweiht wurde; für 1388 ist zu dem eine Schreibstube bezeugt." (Frankewitz 2011, S. 442).
Bau- und Reparaturarbeiten sind über Rechnungen seit dem 13. Jh. nachweisbar (s. hierzu Flink 1981, 80-83): 1294/95 gab es größere Ausgaben für das "hoege Hus" (Palas?), die eher für einen Neubau als für eine Instandsetzung sprechen. Verstärkte Bauarbeiten sind den Rechnungen der Jahre 1348-1350 zu entnehmen. 1348 erhält die "camera magister curiae" über einen Durchbruch einen kleinen Vorbau bzw. einen Abort. Im Zusammenhang mit der Weihe eines neuen Altars 1383 war ein Glaser in der Kapelle an den Fenstern beschäftigt. 1388/89 wurden bei der Burg mehrere tausend Backsteine für Baumaßnahmen gebrannt und vermauert (Flink 1981, S. 86).1398 erhielt die "heymelike kamer" des Herzogs einen Anschluss zum Schornstein.
Gesondert ist die Reinigung der Burggräben zu erwähnen. In den Rechnungen für 1382/83 mussten Leute aus Geldern, Pont, Veert und Echt (NL) zu verschiedenen Terminen die Leistung erbringen.
Die auf Stadtansichten & Plänen des 16./17. Jh. dargestellte Burg zeigt in der Hauptburg und in der Vorburg je einen markanten Turmkörper. Die übrige Bebauung erscheint an der Ringmauer randständig platziert.
Archäologisch wurde die Haupt- und Vorburg 1964/66 bei Bauvorhaben in kleinen Teilen aufgedeckt. Weitere Beobachtungen, u. a. bei Kanalbauarbeiten, sind 1974, 1982, 1985, 1995 und 1997 erfolgt.
Die Maßnahme 1964/66 erbrachte für die Vorburg den Nachweis von Tuffsteinmauerwerk, das vielleicht von einem Tor herrührt, sowie von in den nassen Untergrund gerammten Eichenpfählen zur Baugrundaufbereitung bzw. Gründung, Eine Dendrodatierung erbrachte als Fälljahr um 1353. In der Hauptburg wurde ebenfalls über einer Holzpfahlgründung mit aufgelegtem Säulenbasalt ein rechteckiger Tuffsteinturm (ca. 11,75 x 11,25m) mit Maueranschlüssen im NW und SO (Ringmauer) ausgegraben. Das Turmmauerwerk bestand aus Gussmauerwerk mit Tuffquaderverblendung (punktuell Backstein), die Mauerstärke betrug 3m. Der Turm wird vom Bearbeiter der Grabung, G.Binding, als Bergfried gedeutet. Weiter war am Turm eine neuzeitliche Reparaturstelle aus Backstein zu beobachten. Nördlich des Turmes verlief ein Wassergraben. Bei Kanalbauarbeiten am Mühlenweg wurden Holzbohlenlagen gefunden (Reste einer Hof-/Wegebefestigung).
1966 fand sich ca. 22m südlich des Turmes eine weitere Tuffmauer mit Holzpfosten. Diese Mauer wird als südlicher Ringmauerabschnitt der Hauptburg angesprochen. Entsprechend der Dendrodaten reichte die 1964/66 aufgefundene Keramik nicht über das 14. Jh. hinaus.
Auch bei folgenden Kampagnen wurden wiederholt Holzpfähle und Holzpackungen zur Baugrundsicherung beobachtet, als auch zum Zwecke der Grabenbefestigung.1974 wurde ein Dammkörper mit Schleuse, ebenfalls in Holzkonstruktion, erkannt, der als Bindeglied zwischen Burg und Festung fungierte. Die Reste eines Brückenpfeilers aus Backstein wurden 1996 an der Burgstraße dokumentiert. Das Fundgut setzt sich aus zahlreicher spätmittelalterlicher Keramik, Tonfliesen aus dem 13. Jh. sowie einer Kaminkachel des 16. Jh. zusammen. Hervorzuheben ist auch ein Doch ("Panzerstecher" bzw. "Gnadentot"). (Jens Wroblewski)

Votierte der archäolog. Bearbeiter der Maßnahme von 1964/66, G. Binding, aufgrund des anscheinend klaren Befundes, für eine Neugründung der Burg in der Mitte des 14. Jh. auf zwei Niersinseln, so legen die Schriftquellen als auch die jüngeren archäolog. Beobachtungen eine Standortkonstanz min. seit dem 13. Jh. nahe. Sowohl der ergabene Rechteckturm als auch die in der Vorburg entdeckten, wahrscheinlichen Torreste entstammen auf jeden Fall einer Baukampagne um 1353. Diese fällt zeitlich gut zusammen mit den schriftlich bezeugten Bauaktivitäten im Rechnungszeitraum 1348-50. Bemerkenswert ist dabei die Verwendung von Tuffmaterial, obwohl Backstein im Burgenbau in jener Zeit schon dominierte. Vielleicht stammte der Tuff aus der Abbruchmasse eines älteren Burggebäudes.
Der morastige Baugrund machte massive Ertüchtigungen duch Holzpfahlkonstruktionen erforderlich.
Weitere, nicht näher zu verortende Baulichkeiten, wie ein großes Haus (Palas?) , ein kleiner Turm, ein großer runder Tuffturm, eine Burgkapelle aus Tuffstein in der Hauptburg sowie Tor und rechteckiger Turm in der Vorburg sind archivalisch bzw. in Ansichten/Plänen belegt. Wie die ergrabenen Bauteile aus der Mitte des 14. Jh. bestanden die 1294/95 genannte Kapelle als auch der Rundturm (Bergfried?) aus Tuffstein. Neben Tuff als teuren Baustoff, ist in den Rechnungen auch von örtlichen Backsteinbrennereien die Rede, so 1388/89, die für die Burgbaustelle arbeiteten.
Eine Zusammenschau von archivalischen und archäologischen Befunden ist im Falle der Burg Geldern schwierig. So ist der von G. Binding ergrabene Rechteckturm gemäß seinen Dimensionen theoretisch als Bergfried denkbar, doch wird der große Turm in den Archivalien als rund beschrieben und erscheint auch so auf den neuzeitlichen Ansichten. Problematisch ist, dass bisher nur ein kleiner Teil der Wasserburg ausgegraben wurde und das auch nur punktuell.

Baubeschreibung:

Nur ausschnitthafter archäologischer Befund. Hauptburg auf polygonalem Grundriss (aus Plänen/Ansichten) mit Rechteckturm am NW-Rand der Ringmauer (0,80-3,0m) und Holzbohlenbelag im Burghof. In der südlich gelegenen Vorburg in Randlage wahrscheinliche Torreste. Sämtliche ergrabenen Mauerstücke aus Tuffquader mit Gusskern über Pfahlgründung im sumpfigen Untergrund der Niersniederung. Am Hauptburgturm punktuelle, jüngere Ziegelausbesserungen. Desweiteren rußgeschwärzter Gewölbeansatz an NW-Seite. Sämtliche Befunde dendrodatiert auf um 1353. Ältere bzw. jüngere Gebäudespuren fehlen noch, sind aber aufgrund Archivalienüberlieferung gesichert. (Jens Wroblewski)

Arch-Untersuchung/Funde:

Div. Ausgrabungen im 20. Jh., jedoch nur in Ausschnitten. So 1964/66 (Haupt-/Vorburg), 1974, 1982, 1985, 1988, 1995, 1997. Funde: div. Keramik 14. Jh. ff., Tonfliesen 13. Jh., Ofenkachel 16. Jh., Dolch, desw. Architekturteile (Werkstein) aus dem 14. bis 15. Jh.. (Jens Wroblweski)