EBIDAT - Die Burgendatenbank

Eine Initiative der Deutschen Burgenvereinigung Menu

Kreuzenstein

Geschichte:

Gf. Dietrich II. v. Vichtenstein nennt sich 1115 "Dietrich de Grizansteine", der in Folge Kreuzenstein zu einem Formbachischen Herrschaftsmittelpunkt aufbaut. Durch dessen Tochter fällt Kreuzenstein 1146 an Gf. Engelbert v. Wasserburg-Hall. Konrad III. ist der letzte Wasserburger, nach dessen Tod 1259 tritt auf Kreuzenstein ein "castellanus" (Burggraf) auf. Als Truchsesse Gf. Konrads erscheinen die Ministerialen v. Lengenbach, nach dem Tod Heinrichs des Truchsessen v. Kreuzenstein-Lengbach gelangt die Burg durch Kg. Ottokar kurzfristig an den ungarischen Adeligen Gf. Aegidius v. Preßburg. Doch bereits 1277/90 sind wieder die Lengbacher Burggrafen auf Kreuzenstein. Nach dem Regierungsantritt der Habsburger wird die Burg ca. 250 Jahre lang von Burggrafen verwaltet. 1340 ist Kreuzenstein der Anna v. Görz, Tochter Friedrich des Schönen, später den hzgl. Ehefrauen, zugedacht. 1458 erobert Kg. Podiebrad v. Böhmen die Burg. 1523 erhält Gf. Niklas Salm die Pflege der Burg, kurz darauf als erbliches Lehen. Seine Nachkommen verkaufen 1585 an die Gfn. v. Hardegg. Bis 1606 besitzen die Schütter die Burg, danach Ulrich Kren v. Krenberg. 1619 fällt der Besitz an die Herberstein, nach 1621 an Karl Frh. (später Gf.) v. St. Hilaire. 1620 ist Kreuzenstein von aufständischen Böhmen und Mährern besetzt. 1645 wird die Burg von schwedischen Truppen unter Torstenson besetzt und beim Abzug durch Sprengung zerstört. Vischer zeigt die Burg 1672 als ruinöse Anlage. 1702 gelangt die Ruine in den Besitz der Gfn. Wilczek. Gf. Hans Wilczek beginnt 1879 mit einem partiell geplanten Wiederaufbau. Architekten sind Karl Gangolf Kayser, ab 1895 Humbert Walcher v. Moltheim. Die sich zum umfassenden Wiederaufbau erweiternden Arbeiten sind nach 32-jähriger Tätigkeit 1906 vollendet. Die so entstandene, historistische Museumsburg, ist heute, ergänzt durch zahlreiche wiederverwendete mittelalterliche Bauteile und nach tlw. Beseitigung der Brandschäden von 1915 und der Kriegsschäden von 1945 ein sehenswertes Tourismusziel ersten Ranges. Die Burg ist noch heute im Eigentum der Fam. Wilczek.
(G.R., T.K.)

Bauentwicklung:

Die spärlichen hoch- und spätmittelalterlichen Baureste im historistischen Neubau lassen sich keiner Besitzerfamilie zweifelsfrei zuordnen, Größe und Lage der Befestigung entsprechen aber der Bedeutung der Gründerfamilie, der Grafen v. Formbach-Vichtenstein. 1645 endgültig zerstört, wird die Burg ab 1879 im Auftrag von Gf. Hans Wilczek nach Plänen von Karl Gangolf Kayser, ab 1895 Humbert Walcher v. Moltheim im historistischen Stil aufgebaut. Der Neubau erleidet Schäden durch einen Brand 1815 sowie durch Kriegszerstörungen 1945.

Baubeschreibung:

Die relativ ausgedehnte Anlage erstreckt sich in Form eines W-O orientierten Beringovals über den Gipfelbereich des allgemein nur gering steil abfallenden Burgberges. Die wohl relativ früh zu datierende Erstburg bestimmte mglw. auch in späteren Bauphasen die Entwicklung der Anlage, die sich wahrscheinlich bis zuletzt innerhalb des vorgegebenen, vielfach polygonal abgewinkelten Bering-Ovals bewegte. Die Anlage wurde vermutlich frühzeitig mit dem noch heute erhaltenen, gewaltigen Wallgürtel umgeben, in diesem Sinne könnte auch der konzentrisch die Hochburg umlaufende Zwingergürtel die Linie einer ehem. Außenbefestigung beschreiben. Die oftmals postulierte Benutzung von Altbauteilen für den Wiederaufbau des 19. Jhs. ist tlw. an der Feldseite des Hochburg-Berings nachvollziehbar, an dessen Basis wiederholt lagige, quaderhafte Strukturen aus hammerrechten Sandsteinquadern zu beobachten sind. Zumindest an der W-Seite ist die Einbeziehung auch ehem. höher aufgehender Altmauern erkennbar, welche auf historischen Fotos noch fassbar sind. Auch die Zwingeranlagen lassen, tlw. auch hofseitig, ältere Fundamente erkennen, deren ausgezwickelte Mauerstrukturen jedoch dem Spätmittelalter entstammen. Im Bereich des großen Halbrundturmes ist feldseitig ein nicht benutztes Mauerfundament eines aus dem Zwinger vorspringenden, mglw. flankierenden Bauteiles sichtbar. Im Bereich der Höfe und der Innenräume sind definitiv keine Altbauteile festzustellen. Die unbestritten sehr geschickt ausgeführten Mauerstrukturen des Wiederaufbaues sind in der Regel gut erkennbar, sodass z.B. ein Mauerkompartiment am Sockel des "Palas" auffällt, das aus streng lagig verlegten, hammerrechten Kleinquadern besteht und das, sollte es sich nicht um eine Spolierung handeln, einen hochmittelalterlichen Mauerteil vermuten lässt. Die Mehrzahl der sichtbaren Altbauteile lässt abschließend einen bereits dem Spätmittelalter entstammenden Ausbaustand erschließen. Eine umfassende und tiefgreifende wissenschaftliche Aufarbeitung erfolgte dazu leider noch nicht.
Als Gf. Johann Nepomuk Wilczek, finanzkräftiger Förderer von Wissenschaft, Kunst und sozialer Einrichtungen, im Zuge von Erkundungsgängen auch die Ruine der 1645 gesprengten Burg besuchte, entdeckte er auch die Fundamente der ehem. Kapelle. Der zunächst nur als Familiengruft vorgesehene Aufbau der Kapelle reifte schließlich zum Plan, die gesamte Burg wieder zu errichten. Als Architekten fungierten Karl Gangolf Kayser und nach dessen Tod 1895 Humbert Walcher v. Moltheim. Die Bauarbeiten sind zwischen 1874 und (um) 1906 anzusetzen, in diesem Jahr besuchte K. Wilhelm II. anlässlich eines Staatsbesuches auch die – wohl fertiggestellte – Burg. Das Ergebnis des unter tatkräftiger Mitarbeit des Grafen entstandenen Wiederaufbaues war und ist ein im Sinne des Historismus entstandenes und als späte Selbstdarstellung des Adels zu sehendes Gesamtkunstwerk, das internationalen Rang besitzt. Die als Refugium für die riesigen Sammlungen des als Mittelalterexperten auftretenden Grafen bestimmte Anlage wurde selbst zum Hort unzähliger, gesammelter Architekturteile der Romanik und der Gotik, wobei größere Bauteile aus entfernten Teilen der Monarchie und anderen Ländern herbeigeschafft wurden. Ergänzende Kopien vervollständigten das kaum im Detail zu beschreibende Bauwerk. Allein die Fülle der hochwertigen translozierten Architekturteile der Romanik überrascht.
Die vorgegebenen Altbauteile gliedern die Burg in die Hochburg mit äußerem und inneren Burghof und in die umlaufende Zwingeranlage. Der ungewöhnlich pittoresk gestaltete Wiederaufbau ist stark in Höhe und Tiefe gestaffelt und mit einer Vielzahl markanter Bauteile akzentuiert. Die vielfach abgebildete und dem Besucher zunächst entgegentretende W-Seite mit Zugbrückentor, Torturm, Wehrgang, Bergfried und der stark gegliederten Kapelle der Hochburg vermittelt auf eindrucksvolle Weise das dem historistischen Zeitgeist entsprungene Bauprogramm. Ebenso markant präsentiert sich die von Torturm, Bergfried, der stark gestaffelten Dachsilhouette und dem halbrunden Turm geprägte S-Seite der Burg, die sich zum Donautal wendet. Der Rundgang im Zuge der Besichtigung führt zunächst durch den engen südl. Zwinger, der von der riesigen, in rom. Stilformen errichteten "Loggia" des S-Traktes akzentuiert wird. Der mächtige "halbrunde Turm" vermittelt zwischen Zwinger und dem äußeren Burghof im O der Hochburg. Der sog. "Kaschauer Gang" verbindet die "Hauptstiege" im N und den "Gaden" im S und trennt mit einem breiten Spitzbogen den äußeren vom inneren Burghof. Dieser wird nördl. vom "Palas" und im SW von den gestaffelten Bauten der Kapelle und des Bergfrieds umgeben. Zwischen Kapelle und "Palas" schließt eine rom. "Loggia" den Hof, während der "Palas" durch eine wiederverwendete Fachwerkfassade geprägt ist. Die Innenräume präsentieren eine Vielzahl von Einrichtungsgegenständen, Kunstobjekten und Hausrat des späten Spittelalters und der frühen Neuzeit. Hervorzuheben ist etwa der schlingrippengewölbte "Saal" im Obergeschoß des "Palas" mit dem sog. "Brixner Schrank", einem Prunkschrank der Zeit um 1500. Dazu reihen sich "Trinkhalle", "Jagdkammer", "Fürstenzimmer", "Kapelle", "Bibliotheksraum" und die "Küche", die mit entsprechendem Interieur versehen sind. Bemerkenswert ist die Waffensammlung im Erdgeschoß des "Palas", welche die größte in Privatbesitz befindliche Sammlung dieser Art ist.
1915 vernichtete ein verheerender Brand bedeutende Teile der Burg und damit auch beträchtliche Teile der Kunstsammlungen. Bei Kriegsende 1945 wurde die Burg abermals stark beschädigt, Dächer und Mauern wurden von über 250 Artilleriegeschoßen getroffen, anschließende Plünderungen führten zu neuerlichen Verlusten an den Sammlungen. Von diesen Katastrophen konnte sich die Burg bis heute nicht mehr völlig erholen, noch heute lassen einzelne Mauerteile Einschüsse erkennen. Manche Räume sind daher aus Sicherheitsgründen für Besucher geschlossen. Restaurierungen finden laufend in kleineren Etappen statt. Der überwältigende Gesamteindruck der Burg überwiegt jedoch bei weitem gegenüber den noch vorhandenen Schäden, sodass Kreuzenstein heute ein viel besuchtes Kultur- und Tourismusziel ersten Ranges darstellt, das in ungewöhnlich dichter Weise – wenn auch museal – mittelalterliche Kultur und ritterliche Lebensweise aus der Sicht des 19. Jhs. vermittelt.
(G.R.)